Münsteraner Studienleiter äußert sich vor Veröffentlichung am 13. Juni

Missbrauch: Großbölting kritisiert Politik und Kardinal-Höffner-Kreis

  • Studienleiter Thomas Großbölting fordert vor der Veröffentlichung des Missbrauchs-Gutachtens für das Bistum Münster mehr Einsatz der Politik für Betroffene.
  • Für Betroffene sei es schwierig, ihre Positionen gegenüber der Institution Kirche durchzusetzen.
  • Gleichzeitig kritisiert der Historiker einen Kreis christlicher Bundestagsabgeordneter, den sogenannten Kardinal-Höffner-Kreis.

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Vor der Veröffentlichung des Missbrauchs-Gutachtens für das Bistum Münster am 13. Juni fordert Studienleiter Thomas Großbölting mehr Einsatz der Politik für Betroffene. „Es wäre meines Erachtens gut, wenn sich die Politik, wie zum Beispiel in Irland, es sich zur Aufgabe machen würde, stärker in diesen Aufarbeitungsprozess einzugreifen“, sagte der Historiker von der Universität Hamburg am Freitag dem WDR.

Für die vielfältige Gruppe der Betroffenen sei es schwierig, ihre Positionen gegenüber einer Institution durchzusetzen, die seit 2.000 Jahren ihre Interessen vertrete. Betroffene hätten sich zu Anwälten ihrer eigenen Sache gemacht, „mit der Öffentlichkeit zusammen, aber mit wenig Unterstützung der Politik“.

Großbölting kritisiert Kardinal-Höffner-Kreis

Forschende der Universität Münster legen am Montag unter Federführung der Historiker Großbölting und Klaus Große Kracht eine Aufarbeitungsstudie zu sexuellem Missbrauch durch Geistliche im Bistum Münster vor. Die Untersuchung behandelt auch die Frage, wie kirchliche Führungskräfte mit Missbrauchsfällen umgingen. Bereits Ende 2020 präsentierte das Forschungsteam Zwischenergebnisse. Demnach zeigten frühere Bistumsleiter, darunter zum Beispiel Bischof Reinhard Lettmann, große Milde für Missbrauchstäter sowie „massives Leitungs- und Kontrollversagen“.

Großbölting äußerte sich im WDR kritisch zur Namenswahl eines Kreises christlicher Bundestagsabgeordneter, die an Kardinal Joseph Höffner (1906-1987) – einen früheren Bischof von Münster – erinnert. Höffner sei seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. „Und das würde dann auch bedeuten, dass diejenigen, die heute den Kardinal-Höffner-Kreis betreiben, sich ernsthaft damit beschäftigen sollten, ob man den Namen nicht ablegt“, so Großbölting. Die Gruppierung hatte eine Debatte über dieses Thema bereits angekündigt.

Mertes lobt Vorgehen im Bistum Münster

Das Bistum Münster hatte die Studie in Auftrag gegeben und den Forschenden zugleich Unabhängigkeit zugesichert. Anders als andere Diözesen entschied sich Münster gegen ein juristisch angelegtes Gutachten wie in Köln oder München, sondern beauftragte das Team aus vier Historikern und einer Ethnologin. Zuletzt würdigte Jesuiten-Pater Klaus Mertes dieses Vorgehen, der 2010 Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg öffentlich machte.

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