Gerhard Robbers spricht über den Aufklärungswillen im Bistum

Missbrauch im Bistum Trier: Kommissions-Sprecher pocht auf Unabhängigkeit

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Im Bistum Trier arbeitet eine unabhängige Kommission Fälle von sexuellem Missbrauch durch Kirchenpersonal auf. Grundlage ist eine Rahmen-Vereinbarung der deutschen Bischöfe mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung. Im Sommer setzte Bischof Stephan Ackermann die Kommission ein. Sprecher ist Gerhard Robbers, Jurist und früherer Justizminister von Rheinland-Pfalz. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur sprach er über die Arbeit der Kommission.

Herr Professor Gerhard Robbers, das Bistum Trier steht wegen seines Umgangs mit Missbrauch durch Kleriker immer wieder in der Kritik. Jetzt machte der „Spiegel“ die Situation dort sogar zur Titelstory. Was bedeutet das für die Kommission?

Jede Kritik ist willkommen. Wir haben eine Aufgabe, das ist die Aufarbeitung von Missbrauch im Bistum. Veröffentlichungen wie die im „Spiegel“ können unsere Arbeit bei der Sichtung und Bewertung von Fällen nur befördern. Wir nehmen Druck wahr, davon lassen wir uns aber nicht treiben.

Die Kommission ist seit Sommer tätig, sie treffen sich einmal im Monat. Wie gehen Sie die Aufarbeitung an?

Wir wollen eine Studie auf den Weg bringen, die die Akten sichtet, Gespräche führt und zusammenstellt, welche Fälle es im Bistum gibt und wie mit diesen Fällen umgegangen worden ist. Die genaue Projektbeschreibung soll bald feststehen. Mitte nächsten Jahres soll die Kommission einen ersten Zwischenbericht geben. Ich rechne damit, dass die Studie dann erste belastbare Ergebnisse liefern kann. Wann die Studie abgeschlossen wird, hängt auch davon ab, wie viele Fälle zusammenkommen.

Welchen Zeithorizont deckt die Studie ab, wer finanziert sie, und wer führt sie durch?

Es geht um den Zeitraum von 1946 bis in die Gegenwart. Möglicherweise muss weiter zurückgeblickt werden, wenn es Hinweise auf Täter gibt. Das Bistum finanziert die Studie. Es liegt nahe, dass die Untersuchung an einer Universität durchgeführt wird, dazu können wir aber noch nichts sagen. Wir planen zwei Studien, eine historische und eine psychologische, die parallel und zusammen durchgeführt werden. Inwieweit eine rechtliche Studie sinnvoll und erforderlich sein wird – und in welchem Ausmaß -, das wird sich aus der historischen Studie ergeben.

Das Gremium heißt „unabhängige Aufarbeitungskommission“. Es wurde vom Bistum eingesetzt, ein Mitglied arbeitet dort. Die Betroffeneninitiative „Missbit“ äußert Zweifel, dass die Kommission unabhängig arbeiten kann und spricht von Instrumentalisierung durch das Bistum. Was sagen Sie als Vorsitzender dazu?

Wir sind vollständig unabhängig. Wir arbeiten natürlich – und das ist zwingend für den Erfolg – mit den Verantwortlichen des Bistums zusammen. Wir müssen ja in die Räume kommen und Akten einsehen können. Schließlich sind wir keine Staatsanwaltschaft und haben keinen „Durchsuchungsbefehl“. Wir haben bisher keine Anhaltspunkte für mangelnde Zusammenarbeit vonseiten des Bistums.

Jedes Mitglied der Kommission ist in der Sache unabhängig, wir lassen uns nicht instrumentalisieren. Ein Vergleich: Richter im Staatsdienst werden auch vom Staat bezahlt und entscheiden oft gegen ihn. Die Vereinbarung mit dem Missbrauchsbeauftragten sagt ausdrücklich, dass Mitarbeiter des Bistums Teil der Kommission sein können. Ich finde das sinnvoll, weil Mitarbeiter des Bistums Außenstehenden sehr gut über die Strukturen Auskunft geben können. Die Vorgaben besagen, dass weniger als die Hälfte der Kommissions-Mitglieder beim Bistum angestellt sein darf. Bei uns ist es eine von sieben.

Wie schätzen Sie den Aufklärungswillen im Bistum ein? In einem Fall stehen die heutigen Bischöfe Reinhard Marx, Stephan Ackermann und Georg Bätzing in der Kritik, Fehler begangen zu haben.

Als Kommission nehmen wir wahr, dass beim Bistum ein vollständiger Aufklärungswille da ist und keinerlei Verheimlichung oder Hürden für unsere Arbeit aufgebaut werden. Wir stehen aber am Anfang. Ich kann deshalb noch nicht abschätzen, was an Vorwürfen aufkommen wird und wer belastet wird. Wir werden sehr genau hinschauen und jeden Fehler, den wir sehen und als Fehler bewerten, öffentlich machen.

Was bisher an Fällen bekannt ist, lässt erahnen, dass viel Arbeit auf die Kommission zukommt. Wie stehen Sie zu der Kritik, die Aufarbeitung sei nicht nebenbei und ehrenamtlich zu bewältigen?

Wir fühlen uns in keiner Weise überfordert. Als Kommission können wir nicht jede Akte selbst ansehen. Das werden dann Studien oder Detailarbeiten leisten, die wir in Auftrag geben.

Inwiefern setzen Persönlichkeitsrechte und der Datenschutz der Aufarbeitung Grenzen?

Wir haben Zugang zu allen Akten – auch mit Klarnamen. Wir sind zu Verschwiegenheit verpflichtet, zu Recht. Es gibt Betroffene, die ihre Geschichte nicht öffentlich machen wollen, deren Schutz steht im Vordergrund. Jeder Betroffene kann entscheiden, inwieweit sein Name in der Öffentlichkeit vorkommt. Einzelheiten, die Rückschlüsse auf Personen erlauben, sind aus Datenschutzgründen nicht zulässig. Die öffentlichen Berichte werden dann nicht die Klarnamen enthalten.

Bezieht sich das nur auf die Betroffenen oder auch auf die Beschuldigten?

In erster Linie auf die Betroffenen. Es kann sich aber auch auf die Beschuldigten beziehen, näheres müssen Datenschutzrechtler bewerten. Ich spreche dabei nicht über Bischöfe oder Generalvikare, die ohnehin in der Öffentlichkeit stehen, sondern über Priester und Gemeindemitarbeiter. Es gelten die Regeln des Rechtsstaats, und dazu zählt der Datenschutz. Ich gehe davon aus, dass herausragende, in der Öffentlichkeit stehende Personen Dinge nicht verheimlichen werden, wenn sie bei der Aufklärungsarbeit ans Licht gekommen sind.

Was bedeutet das für die Studie, die sie angekündigt haben? Wird die veröffentlicht?

Das ist noch nicht geklärt und Thema für die gemeinsame Konferenz der Aufarbeitungskommissionen der Bistümer. Wir als Kommission wollen, dass sich Betroffene bei uns melden und rufen dazu ausdrücklich auf. Auch solche, die sich bisher gegenüber dem Bistum oder Betroffeneninitiativen nicht äußern wollten und nicht möchten, dass ihre Geschichte öffentlich bekannt wird. Von daher ist es möglich, dass Details der Studie möglicherweise nicht öffentlich genannt werden, um die Rechte der Betroffenen zu wahren.

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