Bischöfliche Einrichtung in Ostbevern zwischen Opferschutz und Rechtsfragen

Missbrauch im Internat: Wie die Loburg die Vergangenheit aufarbeitet

Missbrauchs-Diskussion: Der „Ort der Achtsamkeit“ auf der Loburg. | Video: Michael Bönte

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Am 13. Juni wird das Gutachten über sexuellen Missbrauch im Bistum Münster vorgestellt. In einigen Gemeinden und Einrichtungen, in denen Verbrechen dieser Art geschehen sind, haben wir nachgefragt, wie sie das Thema bisher aufarbeiten. Das bischöfliche Internatsgymnasium Schloss Loburg in Ostbevern (Kreis Warendorf) widmet sich der Aufarbeitung intensiv, denn auch dort hat es Täter und Betroffene gegeben.

„Wir schauen im Moment mit Spannung nach Münster“, sagt Wolfgang Rensinghoff. Der Seelsorger am bischöflichen Internatsgymnasium Schloss Loburg meint den Blick auf die Veröffentlichung des Gutachtens zum Missbrauch im Bistum Münster. Denn es können in diesem Zusammenhang Vorgänge und Personen genannt werden, von denen die Verantwortlichen auf der Loburg schon länger wissen. „Dass wir damit nicht an die Öffentlichkeit gehen können, dient dem Schutz der Opfer.“ Denn diese begleitet der Seelsorger zum Teil schon seit vielen Jahren und kennt daher den Wunsch einiger Betroffener, dass nichts von dem, was sie erlebt haben, an die Öffentlichkeit geraten soll.

Es gab Fälle von sexualisierter Gewalt an der Schule in Ostbevern. Zum Teil wurden sie bereits öffentlich aufgearbeitet, wie jene des Canisianer-Bruders, der in den 1960er Jahren Schüler missbraucht hat. Gegen sieben weitere Personen haben Opfer mittlerweile Vorwürfe erhoben, ihre Position als Erzieher ausgenutzt zu haben, um Gewalt auszuüben. „Die Form dieser Gewalt ist dabei sehr unterschiedlich, es gibt einen Graubereich – einen Übergang zu strafbaren Handlungen“, sagt Diakon Rensinghoff. „Es reicht von Züchtigung im Unterricht bis zu schweren sexuellen Übergriffen.“

Loburg greift Thema offensiv auf

In der Schule wurde das Thema offensiv angegangen. „Seitdem 2010 erstmals intensiv über Missbrauch an katholischen Schulen berichtet wurde, haben wir uns sofort auf den Weg gemacht, die Geschichte der Loburg dazu in den Blick zu nehmen – mit großer Unterstützung von allen Seiten.“ Im Kern ist dieses Vorhaben bis heute das gleiche, sagt der 65-Jährige: „Ob Ehemalige, ob Lehrerschaft, ob Erzieher, Eltern oder Schüler – alle Beteiligten sollen sensibilisiert und Möglichkeiten geschaffen werden, dass sich Opfer melden und wir mit ihnen den Weg der Aufarbeitung gehen können.“ Sensibilisierung sei sowohl die beste Prävention als auch die beste Möglichkeit, in Berührung mit Ereignissen aus der Vergangenheit zu gelangen, ist er sich sicher.

Dieser Kern bleibt für Franzis Niehoff auch mit Blick in die Zukunft. Sie ist seit einigen Monaten als Schul- und Internatsseelsorgerin im Einsatz. „Es soll eine Atmosphäre entstehen, in der Opfer den Mut finden können, zu uns zu kommen.“ Die Pastoralreferentin hat die Hoffnung, dass es dabei wieder zu einer Vertrauenssituation zu Menschen einer Institution kommt, von der sie eigentlich bitter enttäuscht worden sind. „Der Weg, den wir dann gemeinsam gehen, bleibt absolut offen.“

Ein zentraler Ort für die Aufarbeitung

Franzis Niehoff und Wolfgang Rensinghoff an dem Ort Aufarbeitung – er trägt den Titel „Was Menschen Menschen antun.“ | Foto: Michael Bönte
Franzis Niehoff und Wolfgang Rensinghoff an dem Ort Aufarbeitung – er trägt den Titel „Was Menschen Menschen antun.“ | Foto: Michael Bönte

„Zudem schaffen wir durch die Thematisierung eine gegenseitige Achtsamkeit“, sagt Niehoff. Dafür hat die Schule einiges in Bewegung gesetzt. Nicht nur, dass die Auseinandersetzung in den Schulklassen, im Kollegium und bei Ehemaligentreffen mittlerweile dazugehört. Es gibt einen zentralen Ort für dieses Thema. Einen Platz, der den Verletzungen und Abgründen der Taten Raum gibt. „Was Menschen Menschen antun“, heißt der kleine Nebenraum der Loburger Kirche, in dem einige Hocker um eine überdimensionale Holzhand stehen, die auf ein Holzbalken genagelt wurde. Sie ist auf Initiative des ersten Opfers entstanden, das sich meldete. Eine andauernde Erinnerung und Mahnung im Schulalltag.

Die Auseinandersetzung mit den Taten an der Loburg hat auch konkrete organisatorische und strukturelle Änderungen gebracht. „Früher mussten die Erzieher auf dem Gelände wohnen“, sagt Rensinghoff. „Das war gut gemeint, weil sie ständig ansprechbar waren – es begünstigte aber auch die Situation zu großer Nähe.“ Mittlerweile gibt es diese Präsenzpflicht nicht mehr, kein Erzieher wohnt noch vor Ort. Auch der Umgang mit der Privatsphäre der Schüler ist anders geworden. „Besuche auf den Zimmern sind mittlerweile erlaubt – Sexualität ist kein Thema mehr, über das geschwiegen wird.“

Zurückhaltung ist keine Vertuschung

Alle Mitarbeiter der Loburg haben mittlerweile präventive Schulungen durchlaufen, um ein gutes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zu finden. Was schwer ist, sagt Niehoff. „Wir wollen den Schülern ein zweites Zuhause geben. Dazu gehört eben auch mal, jemanden in den Arm zu nehmen, wenn er traurig ist.“ Aber auch derartige Gesten und Worte müssten wohlüberlegt gewählt sein.

Ein Zwiespalt, den die Seelsorger auch im Umgang mit den Tätern spüren. Natürlich würden sie gern alle Hebel in Bewegung setzen, um die noch lebenden Tatverdächtigen zur Rechenschaft zu ziehen. Nicht nur der sensible Umgang mit den Gefühlen der Opfer hält sie davon ab. Auch der Blick auf die rechtlichen Hintergründe. „Mutmaßliche Täter sind nicht selten wohlkalkuliert juristisch beraten“, wissen sie. „Da müssen wir mit Vorsicht handeln – auch da vor allem zum Wohl der Opfer.“

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