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Studien zu sexuellem Missbrauch aus der Feder von Juristen sind oft zu nüchtern - findet ein Jurist, der selbst Gutachter war. Der Münchner Anwalt Ulrich Wastl begründet, warum seine Kanzlei nun Bewertungen vornimmt.
Gutachten über sexuellen Missbrauch brauchen nach Ansicht des Münchner Anwalts Ulrich Wastl eine andere Sprache: "Wir können über so eine Sache nicht mehr im bloßen Juristendeutsch reden. Das ist eine Verhöhnung der Betroffenen." Zu dieser Überzeugung sei die Kanzlei Westpfahl-Spilker-Wastl im Lauf der Zeit gekommen, sagte Wastl bei einer Podiumsdiskussion des Betroffenbeirats im Erzbistum München. Dafür seien die Juristen auch angegriffen worden.
Wastls Kanzlei hat mehrere Gutachten zu sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche erstellt, unter anderem in den Erzbistümern München und Köln sowie im Bistum Aachen. Der Lernprozess habe für sie als Juristen darin bestanden, einen Perspektivwechsel zu machen, führte Wastl aus: "Uns sind auf einmal die ganzen anderen Gutachten, die wir so gelesen haben, auf den Senkel gegangen." Die Betroffenen seien zum Objekt einer wissenschaftlichen Betrachtung geworden, samt aneinandergereihter Fallzahlen. Daher habe seine Kanzlei sich entschieden, künftig Bewertungen vorzunehmen.
Kritik an Umgang der Pfarreien mit Missbrauchsfällen
Erschüttert zeigte sich Wastl vom Umgang mancher Pfarreien mit dem Thema. Selbst wenn Missbrauch durch einen Seelsorger nachgewiesen sei, führe dies dort zu tiefen Gräben. Noch Jahrzehnte später würden die Leute aufeinander schimpfen: "Das ist für mich ein totales Versagen der Seelsorge", sagte der Anwalt. Die Bistumsleitung müsse dafür sorgen, dass Gespräche zwischen den Menschen in Gang kämen. Dabei könne es ratsam sein, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Der Jurist ging auch auf Anerkennungsleistungen im sechsstelligen Bereich für Missbrauchsbetroffene ein. Dabei handle es sich um Schmerzensgeld für immateriellen Schäden. In 19 von 20 Fällen zeigten die Akten zerstörte Biografien. Das fange schon damit an, dass wegen der Geschehnisse viele Betroffene trotz vorhandener Anlagen keine adäquate Ausbildung hätten machen können.