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Ist der Wagen gelungen, der im Kölner Rosenmontagszug den sexuellen Missbrauch in der Kirche thematisiert? Betroffene sind uneinig.
Der Kölner Rosenmontags-Zugwagen zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche wird von Betroffenen kontrovers gesehen. Der Betroffenenbeirat im Erzbistum Köln schreibt in einer Stellungnahme, die Darstellung sei „ein erneuter Missbrauch unserer Verletzungen“. Es gibt aber auch Lob von Betroffenen.
Der Betroffenenbeirat nennt es „erschreckend“, dass Missbrauch immer an der katholischen Kirche festgemacht werde. Familien seien große Tatorte: „Dazu wird geschwiegen.“
„Täter-Strategien gut dargestellt“
Dagegen verteidigt der Priester Wolfgang Rothe den Motivwagen. „Dass das Thema Missbrauch im Rosenmontagszug thematisiert wird, begrüße ich ausdrücklich“, sagt das Mitglied des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Für den Verein „Umsteuern! Robin Sisterhood“ erfasst das Motiv die Strategien kirchlicher Täter sehr präzise. „Missbrauchsgutachten belegen, dass gerade der Beichtstuhl ein bevorzugter Tatort war“, so Sprecherin Maria Mesrian. Der Verein wurde gegründet, um Interessen von Opfern sexualisierter Gewalt gegenüber der katholischen Kirche zu vertreten.
Erzbistum: Darstellung missverständlich
Der Wagen zeigt einen Messdiener vor einem Beichtstuhl. Aus diesem reckt sich der Arm eines Geistlichen, der ihn hineinlockt. Auf dem Beichtstuhl steht der Satz „Jesus liebt dich“.
Das Erzbistum Köln und der Kölner Stadtdechant Robert Kleine finden das Motiv missverständlich: Zuschauer könnten die Darstellung so verstehen, dass nicht Geistliche für die Verbrechen verantwortlich seien, sondern Jesus. Kleine empfiehlt, den Satz zu entfernen.
„Kritik ist Ablenkungsmanöver“
Rothe hingegen hält Motiv und Schriftzug für gelungen: „Das konkrete Motiv legt den Finger trefflich in die Wunde. Es macht deutlich, dass es im Vorfeld von sexuellem Missbrauch sehr oft zu spirituellem Missbrauch kommt.“ Unter dem Deckmantel von Glauben und Frömmigkeit würden Menschen eingeschüchtert und in Abhängigkeit gebracht.
Mesrian erklärt, das Motiv sei auch für Außenstehende eindeutig erkennbar. „Der Vorwurf, hier werde Jesus selbst verunglimpft, ist abwegig – ein durchsichtiges Manöver, um von der Schuld der Täter und dem kirchlichen Schutz für ihre Perversion der christlichen Botschaft abzulenken.“
Zugleiter: Wir halten am Wagen fest
Zugleiter Marc Michelske betont, an dem Wagen werde festgehalten. Die Worte „Jesus liebt dich“ seien leider von Missbrauchstätern ausgenutzt worden. Das hätten ihm auch Missbrauchsbetroffene nach der Vorstellung des Wagenentwurfs bestätigt.
UPDATE: Weiteres Lob von einem Betroffenen
Johannes Norpoth, auch er Mitglied im Betroffenenbeirat bei der Bischofskonferenz, sagte im Kölner Domradio, es sei gut, den Missbrauch im Karnevalszug aufzugreifen. Das Thema werde zunehmend an den Rand gedrängt. Beichtstuhl und Spruch seien Sinnbild für Missbrauch in der Kirche. "Beichtstühle waren Tatorte", so Norpoth. Zudem hätten Kleriker ihr schändliches Verhalten theologisch begründet.
Update 17.45 Uhr: Kasten