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Soll sich die katholische Kirche in Missbrauchsprozessen vor staatlichen Gerichten auf Verjährung berufen? Eine Petition findet das den falschen Weg.
Mehr als 100.000 Menschen unterstützen die Forderung, die katholische Kirche solle auf eine Berufung auf Verjährung in Schmerzensgeldprozessen zu Missbrauch verzichten. Das teilen die Initiatoren der Petition, ein Aktionsbündnis aus Betroffenenen und der Verein "Eckiger Tisch", aus Anlass der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz mit.
Die Initiatoren fordern Bischöfe und Ordensobere auf, sich in Schmerzensgeldprozessen nicht länger auf die sogenannte Einrede der Verjährung zu berufen. Mit dieser Möglichkeit können vor Gericht Leistungen abgewehrt werden. Bislang wird die Einrede von deutschen Bistümern in manchen Fällen genutzt, in anderen nicht.
Betroffene hoffen auf staatliche Gerichte
Die Berufung auf Verjährung blockiere für Betroffene den Weg zu gerechteren Gerichtsentscheidungen, kritisieren die Initiatoren der Petition. Zudem sei die katholische Kirche für eine systematische Vertuschung von Missbrauchstaten mitverantwortlich; jahrelang seien Täter geschützt und versetzt sowie Aufklärung verhindert worden. Betroffene hofften auf staatliche Gerichte, um einen wirksamen Ausgleich für erlittenes Leid und die Folgen in ihrem Leben zu erhalten.
Das von der Kirche angebotene Verfahren für Anerkennungsleistungen führe vielfach nicht zu angemessenen Beträgen, kritisieren das Aktionsbündnis und der "Eckige Tisch". In der vergangenen Woche hatte der "Eckige Tisch" ein Positionspapier veröffentlicht. Darin kritisiert die Betroffeneninitiative, das Verfahren der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) müsse schneller, transparenter und unabhängiger werden.
Mehr als 4.500 Anträge
Die UKA soll bundesweit darüber entscheiden, wie viel Geld Opfer sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche in Anerkennung ihres Leids erhalten. Betroffene haben seit Anfang 2021 - damals wurde das heutige Verfahren eingeführt - mehr als 4.500 Anträge eingereicht. Die Kommission hat bis Ende 2024 die Zahlung von fast 77 Millionen Euro für Betroffene angewiesen. In jedem achten Fall lag die Summe bei mehr als 50.000 Euro; 31-mal wurden mehr als 250.000 Euro gezahlt.
Die Vollversammlung der Bischöfe beginnt am Nachmittag in Fulda, kurz nach ersten Aussagen des Papstes zu Familie, Sexualmoral und Kirchenreformen. Leo XIV. hatte im Interview mit einem US-Portal erstmals eine Art Programm für seine Amtszeit skizziert. Die Frage, ob die Phase der Reformen unter ihm weitergehe, beantwortete er so: Statt die von Papst Franziskus begonnenen Aufbrüche fortzuführen, will er "vorerst" nichts in der Dogmatik und Morallehre der Kirche ändern. Stattdessen wolle er Polarisierungen in der Kirche durch vertiefte Debatten überwinden.
Bischöfe tragen in Fulda
Die katholischen Bischöfe dürften sich in Fulda zu diesen Aussagen positionieren. Zudem wollen sie eine Erklärung zur Nahostkrise verabschieden. Auf der Tagesordnung steht ein Austausch über den neuen Wehrdienst. Vorlegen wollen die Bischöfe auch eine Analyse der katholischen Flüchtlingshilfe der vergangenen Jahre sowie eine Auswertung von Seelsorge und kirchlichem Handeln in der Corona-Zeit.
Sexualisierte Gewalt: Hilfe und Hinweise
Haben Sie sexualisierte Gewalt im Bistum Münster erlitten oder möchten Hinweise zu Fällen geben, können Sie sich an die Interventionsstelle oder die Unabhängigen Ansprechpersonen wenden: https://www.bistum-muenster.de/sexueller_missbrauch/
Haben Sie sexualisierte Gewalt erlitten und fühlen sich durch diesen Bericht aufgewühlt, können Sie sich an die Telefonseelsorge wenden – kostenfrei unter Tel. 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222, https://www.telefonseelsorge.de/
Haben Sie sexualisierte Gewalt außerhalb des Bistums Münster oder außerhalb der Kirche erlitten, können Sie hier Hilfe finden:
- Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung: https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/
- NINA, Nationale Informations- und Beratungsstelle bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend: https://nina-info.de/
- Hilfe für Opfer von Kriminalität: https://weisser-ring.de/hilfe-fuer-opfer-0