MISSBRAUCH

Blutbuche in Delmenhorst hält Erinnerung an Schuld der Kirche wach

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Die St.-Marien-Pfarrei Delmenhorst hat eine Trauer-Blutbuche gepflanzt. Sie soll die Erinnerung an Missbrauchstaten in der Gemeinde wachhalten.

„Das Thema Sexueller Missbrauch ist im Alltag der Pfarrei kein Tagesgespräch mehr“, sagt Dechant Guido Wachtel. Weil vieles in selbstverständlich gelebte Prävention übergegangen sei. Mit verpflichtenden Schulungen nach dem Institutionellen Schutzkonzept zum Beispiel. „Aber“, so ergänzt der leitende Pfarrer von Delmenhorst: „Ich weiß natürlich nicht, was in den Familien der Betroffenen noch gärt.“

Michael Gellermann nickt. „Wenn die Trauer-Blutbuche gepflanzt wird, dann kommt bestimmt bei manchen etwas wieder hoch.“ Der Vorsitzende des Pfarreirats der St.-Marien-Pfarrei denkt dabei auch an Betroffene, die bisher geschwiegen haben. „Es gibt ja vielleicht Menschen, von denen keiner weiß. Die zu Hause sitzen und versuchen, das mit sich selbst abzumachen.“

In Delmenhorst lebte ein „Langzeittäter“

Denn: In der 79.000-Einwohner-Stadt im oldenburgischen Teil des Bistums Münster lebte mehr als 30 Jahre ein Priester, den die 2022 veröffentlichte unabhängige Studie zu sexuellem Missbrauch im Bistum Münster als „Langzeittäter“ benennt. Der mittlerweile gestorbene Franz Nienaber war Pfarrer der mittlerweile zu St.-Marien-Pfarrei gehörenden Allerheiligen-Gemeinde.

Michael Gellermann ahnt, dass die Pflanzung einer Trauer-Blutbuche manche Menschen erneut mit ihrem Leid konfrontiert. Dennoch hält er es für richtig, dass sich auch die St.-Marien-Pfarrei an der Blutbuchen-Pflanzaktion im Bistum Münster beteiligt. „Weil es ein klares Zechen mit klarer Botschaft der Kirche ist: Wir vergessen das nicht!“

Im Pfarreirat war man sich sehr schnell einig

Und auch, so betont Guido Wachtel, „weil es eine Idee war, die auch von Betroffenen selbst mit angeregt wurde, bei der also auf sie gehört wird.“ Der leitende Pfarrer ergänzt: „Das ist dabei besonders wichtig.“

Im Pfarreirat sei man sich darüber sehr schnell einig gewesen, sagt Michael Gellermann. „Als das Thema aufkam, ob wir auch hier eine Blutbuche pflanzen, da waren alle sofort dafür“, so der 64-Jährige. „Das war überhaupt keine Diskussion. Es hieß sofort: Das machen wir. Als Zeichen gegen das Vergessen.“

Der passendste Ort schied aus

Die Frage lautete nur: Wo soll die Trauer-Blutbuche ihren Platz finden? Der symbolträchtigste und vielleicht passendste Ort schied schnell aus: ein Standort direkt vor der Allerheiligenkirche, wo Franz Nienaber von 1971 bis 2003 Pfarrer war.

Der Grund: Die Zukunft des Gotteshauses ist derzeit ungewiss. Nach aktuellem Stand wären mehr als 2 Millionen Euro nötig, um das Gebäude – eine von fünf Kirchen in der Stadt – zu erhalten, erklärt Michael Gellermann. Die Gemeinde frage sich derzeit: Lohnt sich das?

Jetzt zehn Minuten von der Pfarrkirche

„Es wäre ein denkbar schlechtes Zeichen, wenn wir jetzt da eine Blutbuche pflanzen, und in ein paar Jahren fällen müssen, weil das Grundstück anders genutzt wird“, gibt Dechant Wachtel zu bedenken. Ähnliches gelte für das Gelände rund um die Pfarrkirche, für das eine Umgestaltung anstehe. Auch dort könne derzeit ein dauerhafter Standort für die Blutbuche nicht garantiert werden.

Am Ende entschied sich die Delmenhorster Pfarrei für einen Platz auf dem katholischen Friedhof an der Schanzenstraße, einem von zweien in der Stadt. Die 1905 eingerichtete, zentral gelegene Ruhestätte wird seit einigen Jahren nach und nach außer Dienst gestellt, um das Gelände zu einem Ort des Gedenkens werden zu lassen. Zu Fuß sind es dorthin zehn Minuten von der St.-Marien-Pfarrkirche.

Delmenhorster Pfarrei hält Erinnerung wach

Auch wenn die Diskussion um den sexuellen Missbrauch in Delmenhorst aktuell kein Tagesgespräch mehr ist, wie Pfarrer und Pfarreivorsitzende sagen – die Gemeinde hält die Erinnerung daran wach. Zum Beispiel mit Verweisen auf ihrer Internetseite.

Nicht nur deshalb ist sich Michael Gellermann sicher, dass auch nachwachsende Generationen die Blutbuche als Zeichen verstehen werden. „Sondern eben auch, weil wir das institutionelle Schutzkonzept gegen sexuellen Missbrauch konsequent umsetzen.“ Zum Beispiel mit Präventionsschulungen.

Dadurch bleibe das Thema immer im Raum. „Auch für ganz junge Leute, die die Diskussion um den Missbrauch in Delmenhorst selbst nicht erlebt haben.“ Denn es werde immer wieder daran erinnert, dass Kirche sich auch in Delmenhorst schuldig gemacht hat. „Nicht als Theorie. Sondern mit dem Hinweis: Das hat es auch bei uns gegeben.“

Im Bistum Münster sind in diesen Tagen insgesamt mehr als 100 Blutbuchen gepflanzt worden, meldet die Bischöfliche Pressestelle. Sie sollen demnach sowohl an die Taten sexualisierter Gewalt und das Leid der Betroffenen erinnern als auch an die Vertuschung der Taten durch kirchliche Verantwortungsträger. Der Wuchs und die dunkel gefärbten Blätter des Baumes sollen die „Dauerhaftigkeit leidvoller Erfahrungen“ symbolisieren, heißt es. | pbm, jjo

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