Anzeige
Zum zweiten Mal fordert ein Missbrauchsopfer ein hohes Schmerzensgeld vom Erzbistum Köln. Im Gegensatz zum ersten Prozess könnte die Klägerin in diesem Fall leer ausgehen. Zweifel über eine Amtshaftung wurden nicht ausgeräumt.
Im Schmerzensgeldprozess einer Missbrauchs-Betroffenen gegen das Erzbistum Köln hat das Landgericht Köln die Entscheidung vertagt. Die 57-Jährige, die Pflegekind eines Priesters war und von ihm mehrfach vergewaltigt wurde, verlangt rund 850.000 Euro. Die katholische Kirche hatte der Frau in ihrem freiwilligen System zur Anerkennung des Leids 70.000 Euro gezahlt.
Kernpunkt des Prozesstags war die Frage, ob die Amtshaftung des Erzbistums nicht nur den dienstlichen, sondern auch den privaten Bereich eines Priesters umfasst. Das Gericht kam noch zu keinem Ergebnis und setzte als nächsten Verhandlungstermin den 17. September an.
Pflichten das Erzbistums für Privatleben der Priester?
Der Vorsitzende Richter Jörg Michael Bern ließ erkennen, das Erzbistum sei nur dann als Dienstherr von Priester U. für dessen Taten zu belangen, wenn diese im Rahmen seines Dienstes ausgeführt wurden. Im konkreten Fall habe aber nicht das Erzbistum dem Priester die Obhut über die Klägerin und ein weiteres Pflegekind überlassen, sondern das zuständige Jugendamt.
Zwar habe das Erzbistum dem Geistlichen die Betreuung gestattet. Das sei aber in Form einer genehmigten Nebentätigkeit geschehen, womit keine dienstliche Verpflichtung einhergehe. Zudem erstrecke sich die allgemeine Kontrollpflicht des Bistums auf dienstliche Belange seiner Priester, nicht aber auf Privates.
Betroffenen-Kritik an Gerichts-Argumenten
Diese Sicht hatte das Landgericht bereits in einem vorangegangenen Hinweisbeschluss deutlich gemacht. Die Anwälte der Frau argumentieren dagegen, ein Priester sei nach katholischem Selbstverständnis immer im Dienst. Klägeranwalt Eberhard Luetjohann stellte vor Gericht die Frage: "Wann ist der Vergewaltiger Priester und wann ist er nicht Priester?"
Die Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch" kritisierte die Argumentation der Richter. Die heutige Verhandlung bedeute eine "Niederlage für den Rechtsstaat" und eine "Verhöhnung der Opfer".
Der Missbrauchsfall des Priesters U.
Die Klägerseite hat bis 27. August Zeit, zu den strittigen Punkten Stellung zu nehmen. Zudem geht das Gericht dem Vorwurf nach, das Bistum habe von Übernachtungen der damals Zwölfjährigen im Priesterseminar gewusst.
Der inzwischen aus dem Klerikerstand entlassene U. wurde 2022 vom Landgericht Köln in einem Strafprozess wegen hundertfachen Missbrauchs unter anderem seiner Nichten zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Dabei kam auch der schon verjährte Fall der Klägerin zur Sprache, die als Zeugin aussagte. U. hatte sie als seine Pflegetochter in den 1970er und 1980er Jahren unter anderem in seinem Haus über Jahre missbraucht; zwei Schwangerschaften wurden abgebrochen.
2023 hatte das Kölner Landgericht in einem anderen Schmerzensgeldprozess gegen das Erzbistum Köln ein wegweisendes Urteil gefällt: Einem früheren missbrauchten Messdiener, der von der Kirche 25.000 Euro bekommen hatte, sprach es 300.000 Euro zu. Das ist die bislang höchste Schmerzensgeldsumme, die ein deutsches Gericht einem Opfer sexualisierter Gewalt in der Kirche zuerkannt hat.