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Das Erzbistum Köln wird in einem Missbrauchs-Fall keine zivilrechtliche Verjährung beanspruchen. Der Betroffene klagt in einem Verfahren vor dem Landgericht Köln auf Schmerzensgeld von 725.000 Euro. In dem Verfahren geht es erstmals um Forderungen gegen die Kirche als Institution.
Premiere in Deutschland: Am Dienstag befindet zum ersten Mal ein Gericht über die Schmerzensgeldforderung eines Missbrauchsbetroffenen gegen die katholische Kirche als Institution. Das Erzbistum Köln teilte am Montag mit, dass es in diesem Verfahren trotz der lange zurückliegenden Taten keine Verjährung beanspruchen wird. "In diesem besonderem Fall hatte ich den Wunsch, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten", teilte Kardinal Rainer Maria Woelki mit. Das Erzbistum will eigenen Angaben zufolge wissen, ob das Gericht die bisher gezahlten Anerkennungsleistungen als angemessen erachtet.
Am Dienstag verhandelt das Landgericht Köln mündlich über die Schmerzensgeldklage eines Missbrauchsbetroffenen über 725.000 Euro. Bereits erhalten hat der Mann 25.000 Euro in Anerkennung des Leids. Hier handelt es sich um eine freiwillige Zahlung der Kirche für Missbrauchsbetroffene. In diesem kircheninternen System gelten keine Verjährungsfristen.
Vorwurf: Amtspflichtverletzung durch Unterlassen
Im zivilrechtlichen Verfahren hingegen greift die Verjährung nach maximal 30 Jahren. Selbst diese Höchstspanne wäre aber für den vorliegenden Fall vermutlich zu kurz: Der Kläger gibt an, in den 1970er-Jahren mehrere hundert Male von einem mittlerweile verstorbenen Priester sexuell missbraucht worden zu sein.
Er wirft der Erzdiözese Amtspflichtverletzung durch Unterlassen vor. Einem Aufarbeitungsgutachten zufolge erfuhr das Erzbistum Köln 1980 sowie 2010 von Vorwürfen gegen den Geistlichen. Dennoch konnte er viele Jahre weiter als Seelsorger arbeiten.
Der Kläger will in dem Verfahren zudem 80.000 Euro für zukünftige Schäden feststellen lassen. Der Streitwert beträgt daher insgesamt 805.000 Euro.
Gesamtes kirchliches System hinterfragt
Woelkis Entscheidung, auf die Verjährung zu verzichten, bezieht sich nur auf den aktuellen Fall, wie das Erzbistum betonte. Dennoch sehen Beobachter das gesamte innerkirchliche System der freiwilligen Anerkennungszahlungen hinterfragt, das für Betroffene in der Regel höchstens 50.000 Euro vorsieht.
Einige kirchliche Finanzexperten hatten sich dafür ausgesprochen, dass das Erzbistum Köln Verjährung geltend macht. Sonst könnten bundesweit weitere Schmerzensgeldklagen folgen.