Interview mit Generalvikar Klaus Winterkamp

Missbrauchs-Gutachten für das Bistum Münster: Wer wann was erfährt

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Knapp drei Jahre hat eine Historiker-Kommission der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) im Auftrag des Bistums Münster unabhängig untersucht, wie die Diözese seit 1945 mit Missbrauch durch Geistliche des Bistums umgegangen ist. Am 13. Juni werden die Ergebnisse vorgestellt. Wie das geschieht, erklärt Generalvikar Klaus Winterkamp.

Am 13. Juni wird das Gutachten der unabhängigen Historikerkommission der Universität Müns­ter veröffentlicht. Wer wird wann was erfahren?

Hierbei ist zunächst Folgendes wichtig: Wie die Veröffentlichung erfolgt, liegt einzig und allein in der Verantwortung der WWU Münster. Als Bistum haben wir darauf keinen Einfluss und möchten auch keinen Einfluss darauf haben. Das ist Teil der Grundentscheidung, dass die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster in völliger Unabhängigkeit vom Bistum durch die WWU erfolgt. Die WWU plant nach unserer Kenntnis am 13. Juni Folgendes: Am Vormittag findet eine Pressekonferenz ausschließlich für Medienvertreter statt. Am späten Nachmittag, konkret ab 17.30 Uhr, führt die Uni eine Informationsveranstaltung für die allgemeine Öffentlichkeit in der Aula des Schlosses in Münster durch. Diese Veranstaltung wird von der Uni auch im Internet übertragen.

Wer wird von Seiten des Bistums Münster daran teilnehmen?

Generalvikar Klaus Winterkamp. | Foto: Michael Bönte
Generalvikar Klaus Winterkamp. | Foto: Michael Bönte

An der Pressekonferenz wird niemand vom Bistum teilnehmen. Das hat die Uni so entschieden, denn es handelt sich ausschließlich um eine Veranstaltung für Medienvertreter. An der öffentlichen Veranstaltung der WWU am späten Nachmittag werden der Bischof, ich selbst und weitere Vertreter des Bistums wie etwa unser Interventionsbeauftragter teilnehmen. Wir spielen aber auch hier keine aktive Rolle, sondern werden wie alle anderen von den Wissenschaftlern über zentrale Inhalte der Studie informiert werden.

Warum wird Bischof Felix Genn nicht dabei sein? In München haben die Gutachter die Abwesenheit von Kardinal Marx ausdrücklich bemängelt, in Köln war Kardinal Woelki dabei …

Wie gesagt liegt die Entscheidung, wie und unter Beteiligung welcher Personen die Wissenschaftler die Ergebnisse der Studie vorstellen, bei der WWU. Vormittags handelt es sich um eine Pressekonferenz, zu der seitens der WWU ausschließlich Medienvertreter eingeladen sind. Nachmittags handelt es sich um öffentliche Veranstaltung, an der der Bischof gerne und selbstverständlich teilnehmen wird.

Kann die Öffentlichkeit an der Präsentation des Gutachtens teilnehmen? Wird etwa die Pressekonferenz am Morgen im Internet übertragen?

Zu Ihrer ersten Frage: Ja, die Abend-Veranstaltung ist öffentlich. Zu Ihrer zweiten Frage: Wie gesagt, ist die Pressekonferenz ausschließlich Medienvertretern vorbehalten. Auch das entscheidet die WWU.

Warum wird sich Bischof Genn erst am 17. Juni zu den Ergebnissen des Gutachtens äußern?

Der Bischof erhält die Studie erst am 13. Juni. Vorher kennt er die Ergebnisse nicht. Von daher muss er die Studie selbstverständlich zunächst gründlich lesen, bevor er sich inhaltlich dazu äußern kann.

In welcher Form wird er sich äußern? Öffentlich?

Die Wissenschaftler werden dem Bischof die Studie am 13. Juni im Anschluss an die Pressekonferenz übergeben. Bei dieser Gelegenheit wird der Bischof eine erste, kurze öffentliche Stellungnahme abgeben. Dabei wird es sich aber noch nicht um eine inhaltliche Einordnung der Studie handeln, denn wie gesagt kennt er die Ergebnisse der Studie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Er wird sich an diesem Tag zudem auch in einem Schreiben an alle Mitarbeitenden und freiwillig Engagierten in unserem Bistum wenden. Am Vormittag des 17. Juni wird der Bischof sich bei einer Pressekonferenz inhaltlich zu den Ergebnissen der Studie äußern. Er wird ausführlicher benennen, welche Schritte im Umgang mit sexuellem Missbrauch für unser Bistum bereits gegangen wurden und welche folgen werden.

Die Erkenntnisse des Gutachtens können für Betroffene Wunden aufreißen. Wird es so etwas wie eine Akut-Hilfe geben?

Wir planen, eine Hotline für Betroffene einzurichten. Daneben sind auch die Ansprechpersonen bei Fällen sexuellen Missbrauchs natürlich in diesen Tagen und auch darüber hinaus für Betroffene erreichbar.

Angenommen, in dem Gutachten kommen Informationen über Missbrauchs-Priester zutage, die für eine Gemeinde völlig neu sind: Wie stellt sich das Bistum ihren Fragen?

Es ist in der Tat möglich, dass in einer Pfarrei und/oder Einrichtung erst durch die Veröffentlichung bekannt wird, dass dort Missbrauchstäter oder des Missbrauchs Beschuldigte im Einsatz waren. Darauf bereitet sich unsere Interventionsstelle vor. Es können, wenn das gewünscht wird, vor Ort dann sehr zeitnah Informationsveranstaltungen mit Vertretern des Bistums stattfinden.

Hintergrund
Seit Oktober 2019 hat ein fünfköpfiges Team der Universität Münster unter Leitung der Historiker Thomas Großbölting – der inzwischen in Hamburg lehrt – und Klaus Große Kracht an der Studie gearbeitet. Das Bistum Müns­ter hat das Projekt in Auftrag gegeben und finanziert. Entstanden sind laut Universität zwei Publikationen. Die Studie „Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945“ stelle die Fälle zusammen und analysiere, wie Kirche und Gesellschaft damit umgingen. Eine zweite Publikation – „Die schuldigen Hirten. Geschichte des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche“ – ordne die Bistums-Befunde in die Gesamt-Debatte ein. (pd)

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