SEXUALISIERTE GEWALT

Nach Missbrauchsgutachten: Bistum Würzburg will Konsequenzen ziehen

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Die Leitung des fränkischen Bistums will aus dem vor kurzem veröffentlichten Bericht Schlüsse ziehen. Was nun geschehen soll.

Von KNA

Knapp eine Woche nach Vorstellung eines Gutachtens zur sexualisierten Gewalt im Bistum Würzburg haben sich deren Leitung und weitere Verantwortliche zu den Konsequenzen geäußert. So seien durch die Studie des Wiesbadener Rechtsanwalts Hendrik Schneider auch bisher unbekannte Informationen zu einem Fall ans Licht gekommen, sagte die Interventionsbeauftragte Kerstin Schüller am Montag vor Journalisten in Würzburg. Diesen solle nun nachgegangen werden; man habe bereits Einasicht in die Ermittlungsakte bei der zuständigen Staatsanwaltschaft beantragt.

Der Würzburger Bischof Franz Jung kündigte an, sich im Mai mit dem Betroffenenbeirat und weiteren Betroffenen im Bistum austauschen zu wollen. Außerdem werde es zum Auftakt einen Workshop mit der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg geben, um gemeinsam konkrete Maßnahmen zu erarbeiten. Bis Ende des dritten Quartals 2025 sollen diese fertig sein. Im April 2026 werde es dann ein Update zu den Fortschritten geben.

Zudem kritisierte Jung den Umgang des Vatikans mit Missbrauchsfällen. Wenn das Bistum Fälle gemeldet und Rat erbeten habe, sei die Antwort meist gewesen, der Bischof solle selbst entscheiden. Das könne er einerseits verstehen, weil damit die Zuständigkeit im Bistum bleibe. Dennoch wünsche er sich konkretere Angaben und kein „Guck halt, was du daraus machst“, wenn es diese Pflicht zur Meldung gebe. Das Bistum habe in der Vergangenheit teils härtere Gangarten gegenüber Tätern vorgeschlagen, die vom Vatikan wieder abgemildert worden seien. „Das sind Dinge, die mich auch teilweise irritiert haben. Ich habe das auch immer wieder als Rückmeldung eingespielt“, so Jung.

Leitende Geistliche entschuldigen sich

Jung verlas zudem Statements seines Vorgängers im Amt, Bischof Friedhelm Hofmann, sowie des einstigen Missbrauchsbeauftragten und inzwischen emeritierten Domkapitulars Heinz Geist. Beide baten um Entschuldigung. Geist kündigte zudem an, aufgrund seiner Versäumnisse auf seine Mitgliedschaft im Domkapitel, auf die Feier öffentlicher Gottesdienste sowie auf pastorale Veranstaltungen zu verzichten. Jung nannte dies ein „bemerkenswertes Zeichen der Verantwortungsübernahme“, das auch mit finanziellen Einbußen verbunden sei.

Enger Täterbegriff als Grundlage

Für das Gutachten war der Umgang des Bistums mit Missbrauchsfällen von 1945 bis 2019 untersucht worden. Ermittelt wurden 51 Beschuldigte, davon 43 Geistliche. Die Aufarbeitungskommission hatte sich den Angaben zufolge für einen engen Täterbegriff entschieden. Erfasst wurden demnach nur strafrechtlich relevante Handlungen an Minderjährigen, wenn es einen hinreichenden Verdacht gab.

Grenzverletzungen unterhalb dieser Schwelle, wie sie etwa die bundesweite MHG-Studie 2018 berücksichtigt hatte, waren außen vor geblieben. In der MHG-Studie war bezogen auf das Bistum Würzburg von 62 beschuldigten Priestern und Diakonen die Rede gewesen, außerdem von 157 Betroffenen. Die Zahl des neuen Gutachtens mit 226 Betroffenen ist deutlich höher. Insgesamt gab es den Angaben zufolge 3.053 Übergriffe.

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