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Mit dem Fuß auf dem Gaspedal den Rosenkranz zu beten, ist sicherlich keine gute Idee. Dafür gibt es so genannte „Sattelschlepper-Stoßgebete“, meint Markus Nolte in seiner BildBotschaft. Die, ständig wiederholt, können beim Überholen durchaus hilfreich sein. Und nicht nur da.
„Bittebittebitte, lass es gut gehen, lass es gut gehen, lass es gut gehen!“ Es war ziemlich brenzlig. Autobahn, Baustelle, verengte Fahrstreifen und rechts einer von diesen dicken Brummern. Mit seinen linken Rädern kam er verdächtig nah an die gelbe Markierungsgrenze – und meinem Wagen immer näher.
Ich bin wahrlich keine Schissbuchs, wenn es ums Autofahren geht, aber dies hier war auch nach meinem Geschmack eine Nummer zu happig. Konzentriert hielt ich das Lenkrad gerade, das Tempo konstant – und ohne darüber nachzudenken, fand meine Hilflosigkeit diese vier Wörter: „Lass es gut gehen!“ Zur Sicherheit und Betonung der Dringlichkeit schnell dreimal hintereinander vor mich hin gezischelt. Meine Not brauchte das. Und, wer weiß, vielleicht versteht Der-da-Oben dann besser: Es eilt!
Aus der Mitte der Seele
So gesehen ist das Rosenkranzbeten eine fantastische Tradition. Von außen betrachtet und belauscht, mag es manchen Skeptikern merkwürdig vorkommen, wenn da gleich zehn Mal hintereinander dasselbe gemurmelt wird. Aber mein dreifaches Sattelschlepper-Stoßgebet auf der Autobahn zeigte mir, dass dieses Wiederholen ein und desselben Satzes offensichtlich aus der Mitte der Seele kam.
So beten nicht nur glühende Marienverehrer, zumal das „Gegrüßet seist du Maria“ ja vor allem ganz unterschiedliche Sichten auf Jesus meditiert. Auch das so genannte Herzens- oder Ruhegebet lebt aus der steten Wiederholung ein und desselben Satzes. Zum Beispiel: „Herr Jesus, erbarme dich.“
Misbaha, Mala, Rosenkranz
Einen Rosenkranz kennen zudem auch andere Religionen. Im Islam heißt er „Misbaha“ und unterstützt das Sprechen von Gottpreisungen beziehungsweise das Zählen der 99 Namen Allahs. Viele Muslime – auch bei uns in Deutschland – haben diese Gebetskette ständig bei sich. Und auch bei ihnen verkommt die Misbaha wie unser Rosenkranz mitunter zu Talisman, schlichtem Halsschmuck oder sogar zum Männlichkeitsattribut.Hinduismus und Buddhismus nennen ihren Rosenkranz „Mala“. Im Hinduismus stellt jede Perle eine der 108 Gottheiten dar, im Buddhismus stehen sie für die 108 Bände der Lehren Buddhas, und die Malas werden zum Zählen von Mantras verwendet – also dem steten Aufsagen einer Weisheitslehre.
Aber was soll das alles bewirken? Hört Gott wirklich besonders zu, wenn man ihn nur tüchtig mit ein und demselben Anliegen bestürmt? Wohl kaum, denn zumindest beim Rosenkranz geht es vor allem um Meditation, um das Nachsinnen über Gott, Jesus, ein Bibel-Wort. Ganz so, wie das der erste Psalm sagt: „Wohl dem Menschen, der über Gottes Weisung nachsinnt.“ Spannend, dass der große Bibelübertrager Martin Buber ganz anders übersetzt: „O Glück des Mannes, der über SEINER (Gottes) Weisung murmelt!“
Da ist es wieder, das Murmeln! Ursprünglich stammt es vom lateinischen Wort „murmurare“ – und das kann sowohl „flüstern“ als auch „murren“ bedeuten. Doch hier geht es nicht darum, sich mürrisch spitze Boshaftigkeiten in den Bart zu brabbeln, unser Murren ist es etwas ganz Positives!
Lassen Sie sich ruhig was einreden
In der Spiritualität nennt man dieses Murmeln auch „Einreden“, obwohl es doch ein „Aussprechen“ ist. Und anders als die – negative – Warnung „Lass dir da nichts einreden!“ oder die fürchterliche Erfahrung, dass alle möglichen Leute auf einen einreden wie sie auf jemanden einschlagen, ist das gute Einreden so etwas wie die positive Gegenrede ins Innerste gegen das, was da rumort: Angst, Sorge, Böses in allen Schattierungen – oder pur: das Nein.
Im guten Einreden spreche ich mir betend Gutes zu – indem ich murmelnd über die geschenkten Worte nachdenke: „... voll der Gnade ... gebenedeit bist du, gesegnet ... bitte für uns ... jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ So ernst ist dieses katholische Mantra.