Evangelischer Theologe aus Hamburg stellt in Lengerich sein Buch vor

Musiker, Schauspieler, Pastor: Wie Julian Sengelmann Kirche ändern will

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Er ist Buchautor, Musiker, Fernsehmoderator, Schauspieler und Pastor. Julian Sengelmann rührt am liebsten in vielen Pötten. Eines verbindet alle seine Begabungen: Der evangelische Theologe wünscht sich eine Kirche, die gerade heute den Menschen etwas sagt. In seinem Buch „Glaube ja, Kirche nein?“ erzählt er davon. „Kirche-und-Leben.de“ hat mit dem "schamlos passionierten Protestanten" über Angst vor Veränderung, seinen Blick auf die katholische Kirche und neue Formen der Mitgliedschaft gesprochen.

Herr Sengelmann, mit Ihrem Buch „Glaube ja, Kirche nein?“ haben Sie einen kritischen Liebesbrief an Ihre Kirche geschrieben. Was möchten Sie Ihrer Kirche mitteilen?

Ich habe das Gefühl, dass Menschen in Kirchen – sowohl in Leitungsposition als auch im Ehrenamt – Angst vor Veränderung haben. Natürlich nicht immer, nicht überall, aber in den Gesprächen, die ich führe, eben doch. Manche Menschen sehen die Notwendigkeit für Veränderungen gar nicht, andere haben keine Bilder davon, wie es eigentlich gut sein kann. Und die Angst, die damit einhergeht, lähmt und zermürbt. Und deswegen: Weniger Angst vor Veränderung und vorm Ausprobieren.

Sie kommen als evangelischer Pfarrer demnächst in die katholische Kirche in Lengerich, um dort das Buch näher vorzustellen. Was kann die katholische Kirche von einem evangelischen Theologen lernen?

Julian Sengelmann liest in Lengerich
Am 2. September um 19.30 Uhr liest Julian Sengelmann aus seinem Buch „Glaube ja, Kirche nein?“ im Gemeindehaus St. Margareta der katholischen Pfarrei Seliger Niels Stensen in Lengerich (Kreis Steinfurt).

Ach, das weiß ich nicht. Vielleicht nichts. Vielleicht können einfach Menschen von anderen Menschen lernen, die sich intensiv mit einem Thema auseinandergesetzt haben. Völlig unabhängig von evangelisch oder katholisch können wir ja von einer Perspektive lernen, die nicht zu hundert Prozent unsere eigene ist – auch um daraus schließen zu können, was denn tatsächlich unsere eigene ist oder sein könnte. Und vielleicht – und dann doch noch mal konfessionell – hilft ja die Schamlosigkeit eines passionierten Protestanten manchmal auch für den einen oder anderen Denkanstoß. 

Den Kirchen hierzulande laufen die Mitglieder davon. Was müsste geschehen, um den Auszug zu stoppen?

Wenn ich ein Patentrezept hätte, wäre das natürlich fantastisch. Mein Versuch ist: Menschen fragen, was sie eigentlich suchen. Und dann gemeinsam ausprobieren, was es braucht, damit diese Menschen sich verbunden fühlen können. Dann: rigorose Aufarbeitung, Aufklärung, Information, Prävention, Kommunikation. Neue Formen von Mitgliedschaft, was aber nur Sinn macht, wenn wir diese Mitgliedschaft mit „sinnvollem“ Angebot füllen. Und den festen Glauben daran, dass das Christentum, die Botschaft von Hoffnung, die tiefe Liebe, die wir predigen und leben, mit dem Leben von Menschen zu tun hat. Glaubensfragen sind immer Lebensfragen. Das müssen wir plausibel und „glaubwürdig“ in die Welt tragen.

Was halten Sie von der Meinung, die katholische Kirche bräuchte angesichts ihrer Krisen eine zweite Reformation?

Ha – Fangfrage! Ich weiß nicht, was die katholische Kirche braucht. Dafür bin ich viel zu wenig über die Details informiert. Was ich persönlich sagen kann: Vieles, was die engagierten Menschen des Synodalen Weges eben auf den Weg bringen, finde ich großartig und essenziell wichtig. Und was ich auch mit Überzeugung sagen kann: Solange der unerträgliche Missbrauch in all den unterschiedlichen Bereichen nicht rigoros aufgeklärt und auch sanktioniert wird, haben christliche Kirchen – neben der Tatsache des furchtbaren Strafbestandes, den Taten an sich, den für immer zerstörten Leben derer, die diesen Missbrauch erlitten haben – ein globales und existenzielles Problem.

Welches Modell oder welche Form einer Kirche wünschen Sie sich?

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Als kleine Denkaufgabe für Kirche der Zukunft finde ich den Rückblick ganz gut. Denn bevor es all die prunkvollen Gebäude gab, bevor die beiden Geschwisterkirchen der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland waren, bevor wir zwischen katholisch und evangelisch und noch so viel mehr Konfessionen, Denominationen, Frömmigkeitsschulen und all den anderen Markern unterschieden haben, war Kirche fundamental anders: Eine kleine Gruppe von Menschen, die im wahrsten Sinne des Wortes noch keinen Ort hatten und keine Tradition, sondern sich – häufig heimlich – am Feuer getroffen haben, Brot und Wein miteinander geteilt haben, und sich ernsthaft und auf Augenhöhe über Hoffnung, Glauben, Zweifel, Angst und ihre Leben unterhalten haben. Das könnte ein guter Versuch sein …

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