Gedenken zur Reichspogromnacht in Münster - Anschlag von Halle

Mussinghoff sieht Pflicht zum Gedenken

Die Münsteraner haben der Pogromnacht von 1938 gedacht. In der Synagoge sprach Bischof Heinrich Mussinghoff von der Pflicht aller Deutschen zum Gedenken.

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Am Freitag hat die jüdische Gemeinde in Münster gemeinsam mit Vertretern der Kirchen, aus Politik, Gesellschaft und Moscheegemeinden an die Zerstörung der Synagoge in Münster vor 81 Jahren erinnert. Das Gedenken an die historische Reichspogromnacht stand diesmal unter dem Eindruck des gerade noch vereitelten Attentats auf das jüdische Gotteshaus in Halle vor drei Wochen.

Am 9. Oktober, dem jüdischen Jom-Kippur-Fest, hatte dort ein rechtsradikaler Angreifer versucht, die Tür zur Synagoge zu sprengen. Als das nicht gelang, erschoss er zwei Menschen vor einem Döner-Imbiss. In seiner Ansprache zur Gedenkfeier in Münster betonte der emeritierte Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff, dass der „entsetzliche  Anschlag in Halle durch Hassreden rechter Gruppierungen und Parteien wie der AfD vorbereitet wurde. Und dann kommt es zu solchen Taten.“

 

Mussinghoff: „Die Deutschen stehen in einem Haftungs-Zusammenhang“

 

Mussinghoff, der bis 2015 bei der Deutschen Bischofskonferenz für die religiösen Beziehungen zum Judentum zuständig war, ist mit der jüdischen Gemeinde in Münster seit vielen Jahren eng verbunden. „Haben wir aus der Schoah nichts gelernt?“, fragte der Bischof.  81 Jahre nach der Reichspogromnacht verblasse die Erinnerung.  „Die Gaskammern werden vergessen, die Verdrängung ist fortgeschritten.“

Heinrich Mussinghoff.
Bischof Heinrich Mussinghoff zündet in der Synagoge eine Kerze an. Neben ihm steht Sharon Fehr, Vorsitzender der Gemeinde. | Foto: Karin Weglage

„Es gibt aber keine Befreiung und Entlastung von unserer Geschichte“, sagte der Bischof. „Auch wir Jüngeren, die an den Nazi-Verbrechen nicht selbst beteiligt waren, stehen in einem Haftungs-Zusammenhang und haben die Pflicht, das Gedenken zu pflegen“, sagte der Bischof.  „Was im Namen des deutschen Volkes getan wurde, geht alle Deutschen an.“ Dazu sei auch die Weitergabe der Erinnerung an die nachfolgenden Generationen notwendig.

 

Fehr: „Die Unsicherheit unter den Juden wächst“

 

Zu Beginn der Gedenkfeier hatte Ruth Frankenthal, Geschäftsführende Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, der Stadtgesellschaft und den Bürgerinnen und Bürgern für die vielen Solidaritätsbekundungen und Blumengrüße nach der antisemitischen Gewalttat in Halle gedankt.

Sharon Fehr, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Münster, sprach von einem „wachsenden Gefühl der Unsicherheit“ unter den Gemeindemitgliedern.  „Als in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1938 unsere Synagoge zerstört wurde, leitete dies den Schritt von der Diskriminierung zur Ausgrenzung ein.“ Mit dem Niederbrennen der jüdischen Gotteshäuser vor 81 Jahren habe die rassistische und menschenverachtende Ideologie der Nazis ihren Anfang genommen.

Auch heute seien antisemitische Äußerungen und Taten wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Der heutige Antisemitismus ist nicht neu“, betonte Fehr. „Er hat nie aufgehört.“ Zurzeit wachse die Zahl der Hassprediger und Brandstifter. Sie rekrutierten sich aus rechten und linken Kreisen der deutschen Gesellschaft und aus Geflüchteten arabischen Ursprungs, erklärte Fehr. „Heute verstecken wir Juden unsere Kippa, die wir noch vor einigen Jahren stolz getragen haben, unter der Kappe“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde.

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