Fachkräftemangel und Kirchenkrise sind spürbar

Nach Corona: Familienbildungsstätten stehen vor neuen Herausforderungen

  • 27 katholische Familienbildungsstätten gibt es im Bistum Münster.
  • Die Corona-Pandemie konnte mit Kreativität und Organisationstalent gemeistert werden, aber es gibt neue Herausforderungen.
  • Im Haus der Familie in Münster könnten viel mehr Angebote durchgeführt werden, wenn es ausreichend Arbeitskräfte dafür gäbe.

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Die Rückkehr zur Normalität mit neuen Herausforderungen – auf diese Formel könnte die Situation der Familienbildungsstätten im Bistum Münster heruntergebrochen werden. Nachdem die Corona-Pandemie den 27 Einrichtungen viel an Kreativität und Organisationstalent abverlangt hat, haben sich die Zahlen der Angebote und Teilnehmer wieder normalisiert. Aber es stehen neue Entwicklungen an, auf die reagiert werden muss. Die Situation der Familienbildungsstätte in Münster zeigt das beispielhaft.

„Alles, was sich in der Gesellschaft tut, spüren wir in unserer Arbeit“, sagt der Leiter vom Haus der Familie in Münster, Johannes Wilde. Die großen aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen sind präsent, wenn er und sein Team Kurse planen, Mitarbeiter suchen und mit ihren Angeboten auf die Menschen zugehen. „Fachkräftemangel, Krieg, Energiefragen, Kirchenkrise…“, zählt er auf. „All das spielt auch bei uns mit hinein.“

Neue Arbeitskräfte sind schwer zu finden

Deutlich zu spüren ist die Situation etwa bei der Besetzung von Kursleitungen, sagt Wilde. „Wir könnten viel mehr anbieten, wenn wir ausreichend Honorarkräfte hätten.“ Etwa 400 sind es, die mit ihren unterschiedlichen Qualifikationen die 25.000 Kursstunden im Jahr leiten. Neue Kräfte aber sind schwer zu finden. „Der Arbeitsmarkt bietet derzeit viele Alternativen, die zum Teil auch besser bezahlt werden.“ Gerade Studierende, eine wichtige Zielgruppe für die Honorararbeit, sind da stark umworben.

Ein anderer Grund spielt mittlerweile auch eine Rolle: das angeschlagene Image der Kirche. Wilde ist in Bewerbungsgesprächen schon gefragt worden, ob „man bei einem solchen Arbeitgeber überhaupt noch arbeiten sollte“. Seine Antwort: „Das kann man, auch wenn man viele Dinge der Amtskirche kritisch sehen kann.“ Denn der Geist, der in seiner Bildungsstätte spürbar sei, komme nicht aus den Strukturen, sondern aus der christlichen Botschaft. „Und genau die setzen wir hier um.“

Einige Kurse weiterhin mit Wartelisten

Es ist dem Team im Haus der Familie wichtig, dass diese Ausstrahlung auch nach draußen dringt. „Um nicht mit einem generellen Kirchenstandpunkt, sondern mit unserer eigenen Position wahrgenommen zu werden.“ Vor dem Eingang haben sie die Regenbogenfahne aufgehängt, kirchenpolitische Entwicklungen werden diskutiert, auf der Homepage beziehen sie auch mal kritisch Position zu Beschlüssen der Synodalen Wegs.

Die Wartelisten für einige Kurse sind immer noch lang. Gerade im Bereich der Angebote für junge Familien ist die Nachfrage konstant hoch. In anderen Bereichen, etwa bei kreativen Angeboten, verzeichnet Wilde aber eine zunehmende Zurückhaltung. „Das hat auch etwas mit den finanziellen Möglichkeiten der Teilnehmer zu tun.“ Energiekrise und Inflation sind Gründe. „Wenn das Geld fehlt, schauen die Menschen sehr genau, worauf sie als Erstes verzichten können.“

Angebote jenseits des Bildungsbürgertums

Das trifft auch die vielen dezentralen Angebote: Fast die Hälfte der Kurse findet mittlerweile in den verschiedenen Stadtteilen Münsters statt. "Wir gehen bewusst auch dahin, wo jenseits des Bildungsbürgertums Menschen in sozio-ökonomisch schwächerem Umfeld leben.“ Die würden von finanziellen Problemen jedoch am ehesten getroffen und dann auf Teilnahmen verzichten. „Was uns trifft, weil uns diese Zielgruppe besonders wichtig ist.“

Auch der Krieg hat Auswirkung auf das Angebotsprofil: Die steigende Zahl von Migranten spiegelt sich wider. Die interkulturelle Arbeit ist seit einigen Jahren ein Schwerpunkt geworden. Die Ausbildung von KulturvermittlerInnen gehört etwa dazu. Kindergärten oder Sozialverbände sind wichtige Kooperationspartner.

Gemeinschaft für Teilnehmer enorm wichtig

Die Hürde Corona hat die Familienbildungsstätte in Münster also genommen. „Nicht locker, aber kreativ und vor allem mit vielen digitalen Angeboten.“ Wilde weiß aber, dass es vielen Teilnehmern nur zu einem Teil um die Inhalte der Kurse geht, zum anderen um die Gemeinschaft, die dabei entsteht. „Der gemeinsame Kaffee ist manchmal noch wichtiger als eine richtig durchgeführte Entspannungsübung.“ Die Voraussetzung dafür ist nach der Pandemie wieder gut. Wilde ist optimistisch, dass die neuen Herausforderungen daran nichts ändern werden.

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