Milan Zmrzlak kümmert sich um Menschen mit Behinderungen

Nach dem Abi als Helfer nach Bosnien

Milan Zmrzlak aus Moers-Kapellen kümmert sich nach dem Abitur während seines freiwilligen sozialen Jahres auf dem Balkan um Menschen mit Behinderungen. Dabei lernt er auch viel über sich selbst.

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Manchmal fehlen ihm doch die Worte. Zum Beispiel, wenn er tiefschürfende Diskussionen führen will. Dann merkt Milan Zmrzlak, dass er nicht daheim in Moers-Kapellen ist, sondern weit weg. Dass er nicht mit den Menschen spricht, die ihm von klein auf vertraut sind oder die ihn auch ohne Worte verstehen. Das sind die Momente, in denen er Heimweh hat. Doch diese Momente sind selten, weil für Heimweh meistens keine Zeit bleibt. Kein Wunder, wenn einer in die Fremde auszieht, dorthin, wo nicht jeder hingeht. Nach Bosnien-Herzegowina.

„Etwas Außergewöhnliches machen“, hatte sich der 20-jährige Abiturient für sein freiwilliges soziales Jahr vorgenommen. Eine andere Kultur kennen lernen, nicht so weit weg wie Australien, aber auch nicht so nah wie Frankreich und Eng­land. „Das wäre ja ähnlich wie in Kapellen gewesen“, meint er. Sondern auf den Balkan, den Milan schon immer sehr spannend fand. Gesagt, getan. Mit Hilfe von Pax Christi, die Auslandsaufenthalte für das freiwillige soziale Jahr vermitteln.

 

Leben auf dem Balkan

 

Der Balkan war Milan nicht fremd. Sein Großvater stammt aus Slowenien. „In den Ferien waren wir dort häufiger am Meer. Aber als Tourist lernt man ein Land nicht wirklich kennen“, sagt er.

Das wollte er. Zudem etwas erleben und die Zeit nutzen, um herauszufinden, was er nach dem Abi macht. „Später fange ich an zu studieren und gehe dann arbeiten. So frei wie jetzt nach der Schule bin ich nie wieder“, fügt er hinzu. So landete Milan in Derventa im Norden Bosniens. Nicht sein Wunschziel, die Metropole Sarajevo wäre ihm lieber gewesen. Aber er merkte schnell: „Das Großstadtleben ist nicht das, was Bosnien ausmacht.“ Er habe hier mehr Menschen kennen gelernt, als das in Sarajevo möglich gewesen wäre, sei oft eingeladen worden.

 

Erst mal die Sprache büffeln

 

Außerdem habe er sich anstrengen müssen, die Sprache zu lernen. In der bosnischen Hauptstadt sei das Publikum international, bis auf seine deutsche Mitbewohnerin und Kollegin Anna spreche in Derventa kaum einer Deutsch. Also büffelten die beiden Vokabeln und sprechen nach fast einem Jahr richtig gut Bosnisch. Mit der Grammatik hapere es etwas, „aber ich kann über jedes erdenkliche Thema sprechen.“

Milans Job ist bei „Sunce“. Menschen mit Behinderung haben in Bosnien keine Lobby und keine Unterstützung. „Sunce“ heißt übersetzt „Sonne“ und ist eine Elterninitiative von Betroffenen, die sich um Menschen mit geistiger Behinderung kümmert. Fußball, Kartenspielen, kreative Angebote, Spaziergänge, Tischtennis, außerdem gibt’s Mittagessen, manchmal schon am frühen Vormittag, „weil viele, die zu uns kommen, kein Frühstück haben“.

 

Hilfe von zu Hause

 

Der Verein finanziert sich über den Verkauf von Weihnachtskarten und Spenden. Zum Beispiel von der Bosnienhilfe von Heribert Hölz. Er kennt wiederum Milans Mutter, die erzählte vom Auslandseinsatz ihres Sohnes, bei seiner nächsten Tour schauten Hölz und seine Frau Ursula dort vorbei, waren von der Arbeit unter schwierigen Bedingungen beeindruckt und spendeten 1000 Euro. Für die Leiterin von Sunce war dies „wie Geburtstag, und Weihnachten zusammen“.

Milan ist ein optimistischer und zupackender Mensch. Kein Wunder, dass er keine Angst hatte, beim Umgang mit Menschen mit Behinderung etwas falsch zu machen. Hinzu kam die familiäre Atmosphäre bei „Sunce“, das Team, das immer half, wenn er eine Frage hatte. Er habe in diesem Jahr einen regelrechten Erfahrungsschatz angehäuft, den könne ihm keiner mehr nehmen.

 

Viel Armut

 

Er habe viele verschiedene Menschen kennen gelernt, viel Trauriges in Bosnien erfahren und sei auf wirkliche Armut getroffen. Zum Beispiel auf einem Flohmarkt in Sarajevo, wo jemand seine Medikamente verkaufe, um Geld für Lebensmittel zu bekommen. Oder in Derventa, wo er einem alten Mann half, in seine Wohnung zu kommen. Die Wohnung war in einem furchtbaren Zustand, „das ist doch kein Zuhause, in dem man sich geborgen fühlen kann.“

Gelernt hat er in dieser Zeit, die nun zu Ende ist, auch einiges über sich. Dass man sich Sachen zutrauen sollte, „auch solche, von denen man zuerst denkt, das schaffe ich nie“. Er sei erwachsen geworden. Zurück in der Heimat studiert Milan Jura. Darüber hatte er unmittelbar nach dem Abi nachgedacht. Sein Ziel: mehr Gerechtigkeit.

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