Pfarrer Johannes Arntz über Fall eines Priesters unter Missbrauchsverdacht

Nach Empörung in Coesfeld - wo Aufarbeitung in einer Pfarrei Grenzen hat

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Gerüchte um einen unter Missbrauchsverdacht stehenden Priester in Coesfeld machen nicht nur die Katholiken in der Stadt wütend. Von weiterer Vertuschung ist die Rede, zumal „der Fall“ anonymisiert im Missbrauchs-Gutachten des Bistums Münster beschrieben wird. „Kirche-und-Leben.de“ sprach mit dem Pfarrer der Pfarrei St. Lamberti in Coesfeld und Kreisdechanten Johannes Arntz darüber, wie Klarheit in die Geschehnisse gebracht werden kann und wie die Missbrauchsvorwürfe aufgearbeitet werden können.  

In Coesfeld ist der Unmut darüber groß, dass die Kirche einen in der Stadt lebenden mutmaßlichen Missbrauchstäter jahrelang verschwiegen hat und an einer Aufklärung kaum interessiert gewesen sei. Was können Sie zu den Vorwürfen und Enttäuschungen sagen?

Der Kirche wird gerade in den Fragen des Missbrauchs vorgeworfen, sich nicht an die staatlichen Gesetze zu halten und eigene Kirchengesetze und Untersuchungen den staatlichen vorzuziehen. Ein nicht verurteilter Straftäter kann nicht in die Öffentlichkeit gezerrt werden als Beschuldigter.

Pfarrer Dieter Frintrop hat in den 1990er Jahren dafür gesorgt, dass der besagte Priester innerhalb der Pfarrei keinerlei Aufgaben mehr übernehmen konnte. Er ist systematisch herausgehalten worden aus dem Kontakt zu Kindern und Jugendlichen. Von daher, glaube ich, hat es da keine Gefährdung gegeben. Ich kann auch die Enttäuschung der Betroffenen verstehen. Sie wollen vor allem Gerechtigkeit für das, was ihnen angetan wurde. Ich hoffe, dass sie dies durch das Bistum Münster und auch durch uns ein Stück weit erhalten. Die Enttäuschung von anderen kann ich auch verstehen. Viele wollen Transparenz und alle Informationen auf dem Tisch. Aber das ist nicht immer so einfach, wie viele sich das vielleicht wünschen. Der Wunsch eines Betroffenen hier in Coesfeld, den Ort und Zeitpunkt selber bestimmen zu wollen, wann welche Informationen wie genannt werden, hat auch uns dazu gebracht, bestimmte Dinge nicht sofort zu nennen.

Im Gutachten über den sexuellen Missbrauch im Bistum Münster, das im Juni 2022 veröffentlicht wurde, wird der Fall anonymisiert erwähnt. Mutmaßliche Betroffene sind verärgert und sprechen von einer Fortsetzung der Vertuschung. Was sagen Sie ihnen?

Die Gutachterkommission hat sich nach Rechtsberatung dazu entschieden, den Namen nur anonymisiert zu verwenden. Das kann ich als Laie nicht bewerten. Das unabhängige, wissenschaftliche Gutachten klärt auf und vertuscht nicht. Wenn das Gutachten es vorsichtig formuliert und sich entscheidet, anonym zu arbeiten, können wir uns auch nicht einfach hinstellen und alles, was wir dazu wissen, raushauen. Aber als wir dazu angesprochen wurden, konnten wir auch darauf öffentlich reagieren.

Die möglichen Vorfälle des beschuldigten Priesters liegen einige Jahrzehnte zurück und gelten möglicherweise in strafrechtlicher Hinsicht als verjährt. Wie ist eine Aufarbeitung innerhalb der Pfarrei da noch möglich?

Pfarrer Johannes Arntz
Pfarrer Johannes Arntz von der Pfarrei St. Lamberti in Coesfeld. | Foto: Johannes Bernard

Wir können die konkreten Vorfälle von damals gar nicht aufarbeiten. Wir können nur die Umgangsweise des Bistums mit den Betroffenen und den Verantwortlichen vor Ort aufarbeiten. Da wurden in der vergangenen Woche bei einer Versammlung in Coesfeld deutliche Worte gefunden. Die Betroffenen haben auch an uns formuliert, dass es für sie, wie es die Pfarrei gestaltet hat, so in Ordnung ist.

In einem Statement haben Sie die Bistumsleitung der 1990er Jahre für deren Personalpolitik scharf kritisiert. Welche Konsequenzen muss die Bistumsleitung heute ziehen, um der Personalverantwortung gerecht zu werden?

Bei der Personaleinstellung muss sehr genau darauf geachtet werden, wen man da in den Dienst des Bistums nimmt. Egal ob es die Kandidaten für das Priesteramt oder Männer und Frauen für die anderen Seelsorgeberufe sind. Es muss sehr genau geschaut werden, ob es integre und aufrechte Menschen sind, die wirklich den Menschen dienen. Und es darf nicht mehr weggesehen und verschwiegen werden. Die Sachen müssen auf den Tisch, soweit es eben möglich ist.

Der Frust der kirchlich Engagierten in Coesfeld ist deutlich wahrzunehmen. Wie können Sie noch Worte der Ermutigung finden?

Worte der Ermutigung sind sehr schwierig zu finden. Der Frust ist groß. Doch dürfen wir die Überzeugung nicht verlieren, dass wir eine gute Arbeit vor Ort machen. Das müssen wir auch nach außen vertreten. Wir müssen zusätzlich die Präventionsarbeit noch verstärken.

Zur Person des Beschuldigten: Der beschuldigte Priester wirkte einige Jahre als „Subsidiar“ in einer Gemeinde. So bezeichnet man einen Priester, der einer Pfarrei als Unterstützungskraft zugeteilt ist. Von dieser Aufgabe als Subsidiar wurde er Ende der 1990er Jahre entpflichtet, durfte aber vor Ort wohnen bleiben, ohne in der Gemeindeseelsorge mitzuwirken. Den Gottesdienst sollte er fortan in einem Schwesternkonvent übernehmen. Dem heute als „Pfarrer im Ruhestand“ Beschuldigten wurde 2015 seine Befugnis zur Feier der Eucharistie weiter eingeschränkt, die er seitdem nur noch privat „ohne Anwesenheit von anderen Gläubigen“ ausüben darf. (job)

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