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Der katholische Umweltbischof Rolf Lohmann sieht in den extremen Wetterereignissen wie den jüngsten Regenfluten in Deutschland ein "Zeichen eines Wandels des Klimas und der Umwelt". Beim Klimaschutz dürfe es "nicht länger bei der bloßen Ankündigung politischer Zielmarken bleiben", sagte der Weihbischof des Bistums Münster in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur in Bonn.
Herr Weihbischof Lohmann, während der Westen der USA Hitzerekorde von 56 Grad erlebt, leiden in Deutschland gleich mehrere Regionen unter den Folgen von Regenfluten. Nur eine Laune der Natur oder ein untrügliches Zeichen für den Klimawandel?
Derzeit merken wir weltweit, dass sich das Klima grundlegend verändert. Auch in Deutschland haben wir in den letzten Jahren zum Beispiel mit Hitze und Dürre zu kämpfen gehabt. Die unfassbare Katastrophe des Starkregens und der Überschwemmungen, die aktuell viele Regionen bei uns so zerstörerisch trifft, sind ein weiterer Ausdruck davon. Neben dem Klimawandel gehören zu den großen ökologischen Herausforderungen beispielsweise auch die Gefährdung von sauberem Wasser, fruchtbaren Böden und der Biodiversität. Papst Franziskus hat in seiner Botschaft zum Weltgebetstag für die Schöpfung 2019 eindringlich an uns alle appelliert: "Wir haben eine klimatische Notlage geschaffen, welche die Natur und das Leben, auch unser eigenes, stark bedroht." Die Entwicklungen, wie wir sie sehen, sind Zeichen eines Wandels des Klimas und der Umwelt.
Besteht nicht die Gefahr, dass jetzt vor allem der Hochwasserschutz verbessert wird, Maßnahmen gegen den Klimawandel aber auf die lange Bank geschoben werden?
Zunächst einmal möchte ich meine Hochachtung und meinen tief empfundenen Dank gegenüber den vielen Menschen ausdrücken, die vor Ort in bewundernswerter Weise den Opfern dieser Hochwasserkatastrophe beistehen und helfen. Es beeindruckt mich sehr und es stimmt mich hoffnungsvoll, dass sich unsere Gesellschaft regionenübergreifend auf diese Weise solidarisch zeigt. Was die Menschen jetzt dringend benötigen, ist finanzielle Hilfe. Caritas international, das Katastrophen-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, hilft über regionale Caritasverbände bereits vor Ort und hat einen Spendenaufruf gestartet. Wir sind dankbar für jede Spende.
Aber welche Antworten müssen langfristig auf diese extremen Wetterereignisse gegeben werden?
Über die aktuelle Nothilfe hinaus ist auch die Bewahrung der Schöpfung eine Herausforderung, die wir als Gesellschaft gemeinsam und umfassend bewältigen müssen. Um Derartiges langfristig zu verhindern, bedarf es sowohl weiterer Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser als auch eines schnellen und effizienten Eintretens gegen den Klimawandel. Dabei kommt es auf Maßnahmen der Politik, aber auch auf die individuelle Unterstützung und Verantwortung von uns allen an. Ich warne davor, einzelne Maßnahmen gegeneinander aufzurechnen oder gesellschaftliche Gruppen gegeneinander auszuspielen. Das könnte unsere Gesellschaft spalten und dem eigentlichen Ziel einen Bärendienst erweisen.
Gegen die Bedrohungen von Corona hat die Politik hierzulande sehr schnell ein Bündel konkreter Maßnahmen beschlossen. Im Bereich des Klimas scheint es diese Dringlichkeit nicht zu geben.
Die Wissenschaft warnt uns schon lange vor den Folgen menschengemachter klimatischer Veränderungen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, und vor allem die junge Generation mahnt die Dringlichkeit unseres Handelns immer wieder an. Mit Blick auf die globalen und die intergenerationelle Gerechtigkeit haben wir eine moralische Pflicht und Verantwortung. Das erfordert effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel und zur Bewahrung der Umwelt, die schnell greifen und nachhaltig wirken. Dabei darf es nicht länger bei der bloßen Ankündigung politischer Zielmarken bleiben. Wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, ist es zu spät. Kurzfristig ist es jetzt aber ebenso wichtig, ein Bündel konkreter Maßnahmen zur Abhilfe der Notlagen in den von der Flut betroffenen Regionen zu schnüren, wie es vielfach schon in Bund, Ländern und Kommunen getan wird.
Was kann, was muss sich am Lebensstil der Menschen ändern?
In der Umwelt- und Sozialenzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus ist ein Grundgedanke, dass Ökologie und Soziales zwei Seiten derselben Medaille sind: Klimaschutz lohnt sich, weil er Schäden am Menschen und der ganzen Schöpfung, an Wirtschaft und Gesellschaft vermeidet. Bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen muss der soziale Ausgleich hinreichend berücksichtigt werden. Insgesamt appelliert Papst Franziskus an uns, unser Leben und Wirtschaften am Prinzip der Nachhaltigkeit auszurichten. Ein wesentlicher Baustein ist dabei etwa die Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen. In dieser Verantwortung sieht sich explizit auch die Kirche.
Was bedeutet das konkret?
Im Jahr 2018 hat die Deutsche Bischofskonferenz zehn "Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die deutschen (Erz-)Diözesen" vorgelegt. Wir wollen ein Beispiel geben, indem wir selbst klima- und umweltverträglich wirtschaften und das öffentliche Bewusstsein über unsere Pflicht zur Bewahrung der Schöpfung stärken. Dazu gehören die Nutzung erneuerbarer Energien, eine an ökologischen und sozialen Kriterien ausgerichtete Beschaffung, die Vermeidung von Müll und eine umweltfreundlich gestaltete Mobilität. Wichtig ist auch die Berücksichtigung ethischer Kriterien beim finanziellen Investment. Vor wenigen Wochen haben wir eine aktualisierte Fassung der Orientierungshilfe "Ethisch nachhaltig investieren" veröffentlicht. Gelebte Schöpfungsverantwortung ist im kirchlichen Dienst und in der Gesellschaft eine Querschnittsaufgabe.