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Eine Zeitzeugin erzählt von ihren Erinnerungen an die NS-Zeit. Das bewegende Video wird nie veröffentlicht – bis Pfarrer Martin Weber davon erfährt.
„Ich habe Erinnerungen daran, dass in den Straßen Schilder hingen ‚Juden raus.‘ und ‚Wählt NSDAP‘“. Mit rauer Stimme erzählt Anneliese Kind von ihren Erinnerungen. Das Video auf dem Youtube-Kanal der Pfarrei St. Mauritius in Ibbenbüren im Kreis Steinfurt zeigt eine Frau mit dunklen Haaren vor dunklem Hintergrund, der Blick geht an der Kamera vorbei. Anneliese Kind, geborene Mentrup, kam 1929 in Gladbeck im Ruhrgebiet zur Welt. Als Kind und junge Frau erlebte sie den Aufstieg der NSDAP, die Machtergreifung Hitlers und den Zweiten Weltkrieg – zuerst in Gladbeck, später in Osnabrück und Ibbenbüren.
Trauergespräch lässt Pfarrer Weber nicht los
Das Video im Internet: Ibbenbüren: Unsere Familiengeschichten und Zeitzeugen
Erst Jahrzehnte später, kurz vor ihrem 89. Geburtstag im Oktober 2018, erzählt sie ihrem Nachbarn Artem Rodinov in Ibbenbüren von ihren Erinnerungen an die Zeit. Der nimmt ein Video davon auf – veröffentlicht wird es allerdings nie. Bis jetzt. Nach dem Tod von Anneliese Kind im Januar 2025 erfährt Pfarrer Martin Weber im Trauergespräch mit den Angehörigen von diesem Zeugnis der Zeitgeschichte. „Mir war sofort klar, das gehört an die Öffentlichkeit“, sagt Pfarrer Weber. Das Gespräch lässt ihn nicht mehr los. Weber macht den Nachbarn ausfindig, der das Video gedreht hat und besorgt die Datei. Anschließend bittet er die Familie von Anneliese Kind um die Erlaubnis für eine Veröffentlichung.
Das intensive 30-minütige Video lädt Weber auf den Youtube-Kanal der Pfarrei St. Mauritius hoch. Darin erzählt Anneliese Kind von der Indoktrinierung durch die Nazis, von Hitler-Verehrung und wie sie als Schülerin „marschieren musste wie die Soldaten“. Sie erzählt von Nächten in Bunkern und davon, wie ihr Onkel im Bombenhagel einen Sarg für den Großvater besorgte. Auch an die Verfolgung der Juden erinnert sie sich: „Meine Mutter hat mit uns in einem jüdischen Geschäft Kinderschuhe gekauft. Die Nachbarn haben gesagt, sie soll das lassen. Aber meine Mutter hat sich nichts sagen lassen“.
Authentische Stimme aus der NS-Zeit