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Man glaubt, eine Zeitreise vollzogen zu haben und mitten in der Welt des 16. Jahrhunderts zu stehen. Das Großpanorama entführt den Besucher des neuen LVR-Niederrheinmuseums in Wesel in die Zeit um 1570. Gewaltig erscheint die Kulisse des „Großen Marktes“ in Wesel. Der mächtige Willibrordi-Dom am Ende des Platzes beherrscht die Kulisse.
Im 16. Jahrhundert ist die Kirche zu ihrem größten Ausbau gekommen. Mit dem Dom ist die Blüte des gotischen Sakralbaus am Niederrhein erreicht. Prächtige Hausfassaden demonstrieren den vorübergehenden Passanten, dass hier die reichsten und mächtigsten Bürger der Stadt wohnen.
Erleben mit allen Sinnen
Im Mittelpunkt des Platzes aber steht das Rathaus. Seine Fassade richtet sich nach den Vorbildern aus Flandern und Brabant – auch hier wieder eine Demonstration von Macht und Reichtum. Keine Schauseite eines gotischen Rathauses kann mit dieser Fassade konkurrieren.
Zu hören sind auch ganz alltägliche Geräusche, die vom Marktplatz dringen: So holpert die Kutsche des Päpstlichen Nuntius Coriolanus über den Platz, die Gottesdienstbesucher, unter ihnen Imam Ortzen aus Zeeland, Kaplan und erster Prediger an der Willibrordi-Kirche, diskutieren über das erste evangelische Abendmahl, zwei Junggesellen üben einen Schwertkampf, und eine Gruppe ausgelassener junger Frauen zieht über den Markt. Sie verzehren zu Pfingsten vor den Toren der Stadt ihren Eierkäse und sprechen dem Bier reichlich zu.
Brennglas der wirtschaftlichen und künstlerischen Entwicklungen
Es ist die Zeit, in der Wesel, an Rhein und Lippe gelegen, dank des aufkommenden Stahlhandels einen wirtschaftlichen und in der Folge auch künstlerischen Aufschwung erlebt. Die Werkstätten bedeutender Künstler wie Jan und Derick Baegert sind in Wesel anzutreffen. Wie in einem Brennglas sind diese wirtschaftlichen und künstlerischen Entwicklungen in dem großen Panoramabild verdichtet.
„Das neue Museum soll einen Beitrag leisten, dass die Weseler sich mit ihrer eigenen Stadtgeschichte identifizieren und darüber hinaus die alten, bedeutenden Niederrheinlande einbeziehen“, sagt Museumsleiter Veit Veltzke.
NRW investierte mehr als fünf Millionen Euro
Die aktuelle Sonderausstellung „Wesel und die Niederrheinlande. Schätze, die Geschichte(n) erzählen“ bringt dieses Bemühen auf den Punkt. Das neue LVR-Museum ist in dem Gebäude des ehemaligen Preußenmuseums untergebracht. 2015 haben die Umbauarbeiten begonnen. Allein das Land Nordrhein-Westfalen hat mehr als fünf Millionen Euro investiert. Für das Museum wurde ein Barrierefrei-Konzept entwickelt.
Das Haus wurde baulich und technisch auf den neuesten Stand gebracht und erhielt darüber hinaus eine neue Ausrichtung. Die regionale Landeskunde stand im Mittelpunkt. Gerade die aktuelle Ausstellung verknüpft die Weseler Geschichte in Mittelalter und Früher Neuzeit bis in das 19. Jahrhundert mit den übergreifenden Entwicklungen des Niederrheins und der alten Niederlande, zu denen auch Flandern und Brabant zählten.
Die thematischen Schwerpunkte
Humanismus, der grassierende Hexenwahn, Auswirkungen der Religionskriege, die Entstehung der Reformorden wie die der Prämonstratenser oder Zisterzienser, der stabilisierende Einfluss der Jesuiten vor allem in Emmerich und Xanten oder die durch Zuwanderung eingeführten innovativen Techniken im Tuchgewerbe sind thematische Schwerpunkte.
Das LVR-Niederrheinmuseum Wesel ist Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Es verfügt über ebenerdige Zugänge, es gibt Aufzüge zu allen Etagen und ein WC für Menschen mit Behinderungen. Blindenhunde sind erlaubt. Der Eintritt kostet für Erwachsene 4,50 Euro, ermäßigt 3,50 Euro. Das Museum befindet sich An der Zitadelle 14-20 in Wesel, Telefon 0281/33996, Internet: www.niederrheinmuseum-wesel.lvr.de.
Bedeutende Objekte, geschichtsträchtige Ereignisse und Biografien lassen erzählerisch die Konturen eines großen grenzüberschreitenden Kultur- und Wirtschaftsraums aufscheinen. Gerade am Niederrhein entstehen spätgotische Kunstzentren – in der reichen Hansestadt Wesel, aber auch in den Städten Kalkar und Kleve entwickelt sich eine beeindruckende kulturelle Dichte. „Für die konkurrierenden, aber auch verflochtenen Dynastien der Herzogtümer Kleve und Geldern ist Burgund Gegenspieler und Allianzpartner, aber in jedem Fall das große Vorbild“, erläutert Veltzke.
Ein „beglückendes Gefühl“
Die geschichtliche Entwicklung dieser Region wird anhand von 350 Exponaten dargestellt. Dass diese Ausstellung – die Präsentation hat in dem neuen Museum eine herausgehobene Bedeutung – so umfangreich entstanden und auch als gelungen gesehen werden muss, ist für Veltzke ein „beglückendes Gefühl“.