Frauen, Missbrauchs-Betroffene und Kirchenrechtler bemängeln Defizite im neuen Strafrecht

Nicht-katholische Taufe bleibt Straftat - Kritik an neuem Kirchenrecht

  • Die Reform des kirchlichen Strafrechts ist mit gemischten Reaktionen aufgenommen worden. Der Bamberger Erzbischof hätte sich mehr Klarheit beim Umgang mit Missbrauch gewünscht.
  • Frauen-Organistationen beklagen, eine Weihe von Frauen werde als schwerstes Verbrechen bewertet - auf einer Stufe mit sexuellem Missbrauch.
  • Der Kirchenrechtler Georg Bier kritisiert, die nicht-katholische Taufe eines Kindes in einer konfessionsverbindenden Partnerschaft bleibe eine Straftat.

 

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In Deutschland ist die Reform des kirchlichen Strafrechts mit gemischten Reaktionen aufgenommen worden. Während die Verschärfungen beim Umgang mit Missbrauchstaten überwiegend begrüßt werden, gibt es Kritik an Neuerungen, die etwa die Weihe von Frauen oder die nicht-katholische Taufe betreffen.

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) kritisierte Teile der Reform, die vor allem die Rolle der Frauen betreffen. Diese führten vor Augen, dass der Vatikan die Tür für einen Zugang von Frauen zu allen Diensten und Ämtern unbedingt geschlossen halten wolle, sagte die stellvertretende kfd-Bundesvorsitzende Agnes Wuckelt: "Die Kirchenlehre steht über allem - das ist nicht neu, aber es ist natürlich eine große Enttäuschung und ein erneuter Schlag ins Gesicht für uns Frauen. Das Verbot der Frauenweihe soll damit noch einmal zementiert werden", beklagte sie. Wuckelt appellierte an alle Teilnehmer des Reformprojekts Synodaler Weg, weiterhin dafür zu kämpfen, dass Frauen Zugang zu allen Ämtern der Kirche bekommen können.

 

Frauen-Netzwerk: "Verwässerung des Verbrechens von Missbrauch"

 

Ähnlich kritisierte die Reforminitiative Maria 2.0 und schloss sich der Kritik des internationalen Frauen-Netzwerks Catholic Women's Council (CWC) an. Das neue Kirchenrecht ordnet laut CWC die Weihe von Frauen den schwersten Verbrechen zu - ebenso wie sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche. Dass Frauenweihe und Kindesmissbrauch auf eine Stufe gestellt würden, sei nicht hinnehmbar und "verwässert das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und untergräbt die Würde der Frauen".

In der Reform des Strafrechts wurde der Versuch einer Weihe von Frauen explizit als Delikt aufgenommen. Bei der Vorstellung der Neuerungen erklärte Kurienbischof Juan Arrieta zu diesem Thema, das Recht würde natürlich entsprechend geändert, sollte die Kirche einmal zu anderen theologischen Einschätzungen kommen, etwa beim Thema der Weihe von Frauen zu Diakoninnen.

 

Schick: Mehr Klarheit bei Missbrauch gewünscht

 

Der Bamberger Erzbischof und Kirchenrechts-Experte Ludwig Schick sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch, wichtige Neuerungen seien ergänzt worden. Diese könnten dazu beitragen, "dass sich in der Kirche ein echtes Rechtsempfinden und eine Rechtskultur entwickeln, an denen es mangelt". Beim Thema sexualisierte Gewalt hätte er sich allerdings noch mehr Klarheit gewünscht. Positiv sei auf alle Fälle, dass es schwieriger werde, Straftaten zu vertuschen.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hatte bereits zuvor die Reformen im Bereich des Missbrauchs gewürdigt. Es sei richtig, dass die Kirche endlich sexuellen Missbrauch konkret benenne und sich damit diesem schweren Unrecht stelle, sagte er der KNA. Die Kirche nähere sich damit dem weltlichen Sanktionsrecht an. Sie verdeutliche zudem, dass auch Sexualstraftaten geweihter Würdenträger nicht nur durch weltliches Strafrecht, sondern zusätzlich auch innerkirchlich geahndet würden.

 

"Eckiger Tisch": Weiter kein Klagerecht für Betroffene

 

Dagegen bezeichnete der Sprecher der Opfer-Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, die Neuerungen als "nur halb gelungen". Der erhoffte Perspektivwechsel sei nicht vollzogen worden, weil Betroffene nach wie vor nur als Zeugen gehört würden. Opfer müssten endlich ein richtiges Klagerecht haben. Zudem gebe es auch nach der Reform immer noch zu viele Schlupflöcher.

Missbrauch, der nach dem Kirchenrecht auch schon bisher strafbar war, wird künftig nicht länger als "Straftat wegen des Verstoßes gegen den Zölibat" eingeordnet, sondern als "Straftat gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen" genau wie Mord oder Abtreibung. Der Vatikan hatte die Reform am Dienstag vorgelegt. Danach werden vor allem Missbrauch, Verletzung der Aufsichtspflicht und finanzielle Vergehen genauer bestimmt und stärker geahndet. So ist es auch Kirchenoberen in keinem Fall mehr freigestellt, ob sie erwiesene Vergehen bestrafen oder nicht.

 

Kirchenrechtler: Nicht-katholische Taufe bleibt Straftat

 

Als positiv bezeichnete es der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier, dass Bischöfe und andere Verantwortungsträger stärker an ihre Aufgabe erinnert würden, das Wohl der Gemeinschaft und der Einzelnen auch durch die Verhängung von Strafen zu schützen, wenn dies erforderlich sei. Deutlicher werde betont, dass Strafe manchmal sein müsse. Gut sei auch, dass "die Unschuldsvermutung nun auch in der katholischen Kirche ausdrücklich geregelt ist".

Zugleich kritisierte der Kirchenrechtler, dass auch nach der Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches die nicht-katholische Taufe und Erziehung von Kindern aus konfessionsverschiedenen Ehen im kirchenrechtlichen Sinne eine Straftat bleibt. Dies werde der Wirklichkeit solcher Ehen "nicht unbedingt gerecht".

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