Weihnachten als Herausforderung für Alleinerziehende

Noahs Papa meldet sich auch Heiligabend nicht

  • 2,2 Millionen Mütter und 400.000 Väter ziehen Kinder ohne Partner auf.
  • Neben der alleinigen Verantwortung gehören finanzielle Sorgen zu den großen Problemen Alleinerziehender.
  • Unser Beispiel zeigt, wie eine Mutter aus Elisabethfehn im Landkreis Cloppenburg mit der Herausforderung umgeht.

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Deko gehört für sie im Advent dazu. „Auf jeden Fall! Kerzen und Lichter zum Beispiel.“ In diesem Jahr hat Sabrina Brinkmann für ihren Sohn Noah (Namen von der Redaktion geändert) auch einen Adventskalender gebastelt. „Der ist schöner als die gekauften“, sagt sie und fügt lächelnd an: „und günstiger!“

Noah freut sich schon auf Weihnachten. Wenn der Sechsjährige Reklame im Fernsehen sieht, ruft er manchmal: „Guck mal, Mama, eine Nintendo. Die wünsche ich mir!“ Sabrina Brinkmann lächelt. „Manche seiner Freunde haben so eine Spielkonsole. Das ist in seinem Alter scheinbar normal“, sagt die alleinerziehende Mutter. „Aber eben auch ziemlich teuer, zu teuer.“

 

Wenig Geld ist oft ein Thema

 

Keine Frage, Geld ist auch vor Weihnachten ein Thema für die 29-Jährige aus dem Ortsteil Elisabethfehn in der Gemeinde Barßel (Kreis Cloppenburg). Ihren Sohn zieht sie alleine groß. Der Vater ist schon in der Schwangerschaft auf und davon. „Er lebt wohl irgendwo in Ostdeutschland.“ Wo genau, weiß sie nicht. Nur, dass er keinen Kontakt mehr will – und zahlen auch nicht.

Im Sommer hat Sabrina Brinkmann ihre Ausbildung zur Bürokauffrau abgeschlossen. Ihre nur ein paar Kilometer entfernte Firma hat sie übernommen. „Ich bin froh, dass ich Arbeit habe“, sagt sie. „Hier in der Gegend gibt es nur wenige große Firmen.“ Viele pendeln ins Umland. Dann aber wäre das Leben alleine mit Kind für sie noch schwieriger.

 

Heiligabend wird sie bei Oma und Opa verbringen

 

Zu Hause sorgen in diesen Wochen Adventslieder für vorweihnachtliche Stimmung. Ihre Wohnung sei klein. „Sie durfte nicht zu groß sein, weil das Amt bis zum Ende meiner Ausbildung einen Teil der Miete übernommen hat“, erklärt die Mutter. „Jetzt aber nicht mehr.“ Sie lächelt: „Mit meinem jetzigen Gehalt bin ich ganz kurz über dem Satz, bis zu dem es Unterstützung gäbe.“

Weihnachten soll trotzdem schön werden. Heiligabend wird sie wohl wie immer bei ihren Eltern verbringen. Die wohnen in der Nähe, auf der anderen Seite des Fehnkanals, der den Ort der Länge nach durchschneidet. Bei denen schaut sie jeden Tag vorbei.

 

Die Großeltern helfen oft aus

 

Heiligabend kommen ihre Geschwister dazu. Das Essen hat die Familie schon geplant: Ente und Rouladen für die Erwachsenen. Noah wünscht sich Spaghetti Bolognese. Wenn es spät wird, kann er bei Oma und Opa übernachten und seine Mutter am ersten Feiertag allein in ihrer Wohnung ausschlafen.

Für ihren Sohn ist das nichts Neues. Er verbringt öfter mal ein Wochenende bei den Großeltern. „Er hat ja keine Vater-Wochenende“, erklärt die Mutter. „Der Junge hat seinen Vater noch nie gesehen.“ Das höre sich hart an, mache manches aber auch einfacher. „Ich habe mich mit Noah früh darüber unterhalten, warum er keinen Vater hat, habe ihm alles erklärt. Es war ein klarer Schnitt, aber er hat es verstanden. Es ist, wie es ist.“

 

Klare Trennung statt ewigem Zanken

 

Das sei immer noch besser, als das ewige Gezanke wie sie es von getrennt lebenden Freundinnen kenne. Wo getrennt lebende Eltern ihre Kinder dauernd gegeneinander ausspielen. „Der Ärger wird ja immer auf dem Rücken der Kinder ausgetragen“, meint Sabrina Brinkmann.

Trotzdem: Alleine für sich und ein Kind zu sorgen – das ist für sie nicht einfach. „Ich muss bei Ausgaben immer überlegen: Was passt rein und was nicht? Ich brauche ja auch Rücklagen, falls mal was passiert.“

 

Rücklagen konnte sie nicht aufbauen

 

Während ihrer Ausbildung konnte sie solche Polster nicht aufbauen. „Da hatte ich ja weniger als ein normaler Hartz-IV-Empfänger zur Verfügung.“ Gut, dass sie die Eltern im Rücken weiß. „Abends nach der Arbeit essen wir auch schon mal bei ihnen. So habe ich dann wieder ein bisschen Geld gespart.“

Aber Geld sei eben nicht alles, auch Weihnachten nicht, betont sie. „Man darf sich nicht nur auf materielle Sachen festlegen“, rät Sabrina Brinkmann anderen Alleinerziehenden. „Und man muss das Beste aus einer Situation machen. Man kann alles schlecht sehen, oder man fängt an, eine Situation so zu nehmen, wie sie ist.“ Wichtig für sie sei, sich zu fragen: „Was brauche ich wirklich und was braucht der Kleine?“

 

Sie hat Bescheidenheit gelernt

 

Anfangs fiel ihr das nicht immer leicht. Wenn andere Mütter die tollsten Kinderwagen durch die Gegend schoben – und sie selber begnügte sich mit einem älteren, gebrauchten Modell. „Aber ich habe damals gelernt, mich auch über Kleinigkeiten zu freuen und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.“ Mit einem Lächeln im Gesicht bringt sie ihre Einstellung auf den Punkt: „Ein teurer Porsche vorm Haus kann mich ja auch nur von A nach B bringen.“

Sabrina Brinkmann freut sich lieber über die wichtigen Dinge. Zum Beispiel darüber, dass Noah einen Ganztagsplatz im katholischen Kindergarten „Die Arche“ in Elisabethfehn hat. Und darüber, dass Sabrina Brinkmanns Eltern um die Ecke wohnen. Oma und Opa helfen auch mal, holen den Kleinen ab. „Hätte ich meine Eltern nicht im Rücken, wäre es schwierig, in Vollzeit berufstätig zu sein. Das würde nicht klappen.“ Weil immer mal etwas dazwischen kommen kann.

 

Geschenke gibt es nur für den Kleinen

 

„Bis jetzt hat aber alles noch ganz gut geklappt, auch in der ersten Coronawelle.“ Weil die junge Mutter in einem so genannten systemrelevanten Lebensmittelbetrieb arbeitet, hatte sie Anspruch auf einen Platz für Noah in der Notbetreuung, die der Kindergarten auch im Lockdown aufrechterhielt.

Denkt sie jetzt, kurz vor Weihnachten, auch über Geschenke für sich selbst nach? Sabrina Brinkmann schüttelt den Kopf. „Nein. Wir haben in der Familie schon vor Jahren beschlossen: Wir Erwachsenen untereinander schenken uns nichts mehr.“ Weil es nur ein Hin- und Herschieben war. „Und ich kann es mir nicht leisten, für jeden etwas im Wert von 50, 60 Euro zu besorgen. Da haben wir gesagt: Wir lassen das.“

 

Sie freut sich auf die leuchtenden Kinderaugen

 

Und was plant sie für Noah? „Sachen für den Winter zum Beispiel. Schneehose und Schneejacke. Neue Schuhe hat er vorher schon bekommen.“ Und was ist mit der Spielkonsole? Sabrina Brinkmann lächelt. „Da habe ich eine günstigere Alternative gefunden.“ Sie freut sich schon auf den Moment, wenn er sein Päckchen auspackt, auf das begeisterte Funken in seinen Augen. „Das zeigt mir dann wieder: Ich habe alles richtig gemacht. Ihm fehlt es an nichts.“

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