Auch bundesweit höhere Nachfrage

Notfallseelsorgende immer öfter im Einsatz – nicht nur in Warendorf

  • Die Notfallseelsorge verzeichnet bundesweit wachsende Einsatzzahlen.
  • Das liegt vor allem an den immer intensiveren Kontakten zur Polizei und Feuerwehr, sagen Experten.
  • Wie sich das regional auswirkt, zeigt ein Blick in den Kreis Warendorf.

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Die Nachfrage nach Notfallseelsorge bundesweit (siehe Kasten am Textende) wie auch im Kreis Warendorf steigt. Allein 2022 waren es dort mit 149 Einsätzen 50 mehr als im Vorjahr. „Damit gehört das Jahr zu den wohl intensivsten in der mehr als 20-jährigen Geschichte unserer Arbeit“, sagt Martin Remke, Koordinator der Notfallbegleitung im Kreis.

42 Einsatzkräfte stehen in dem ökumenischen Angebot rund um die Uhr bereit, um in Notfällen Betroffenen zur Seite zu stehen. Sie sind fast in jeder Gemeinde des Kreises vertreten, was Anfahrtswege reduziert.

Sie helfen, wenn die Polizei weg ist

„In vielen Fällen geht es um die Überbringung von Todesnachrichten an Angehörige“, sagt Remke, der Pastoralreferent in der Pfarrei Clemens August Graf von Galen im Hamm ist. „Nachdem die Polizei diesen Auftrag ausgeführt hat, sind wir für die Betroffenen für Gespräche und vor allem zum Zuhören da.“

Die vorangehende Absprache mit den Beamten ist intensiv, um die Belastung der Situation möglichst gut steuern zu können. Die Aufgabenteilung dabei ist klar: „Wo Polizei und Feuerwehr mit ihrer Arbeit aufhören, beginnt unser Angebot.“

"Vertrauen ist gewachsen"

Die Zusammenarbeit mit allen Akteuren im Notfall-System habe sich intensiviert, sagt Remke. Darin sieht er auch den Grund für die steigenden Zahlen der Begleitung durch die Notfallseelsorge. „Es ist ein Vertrauen gewachsen – wir sind bei den Rettern und Helfern bekannt und werden schnell kontaktiert.“

Eine wesentliche Rolle spielt dabei der jährliche ökumenische „Blaulicht-Gottesdienst“, zu dem Vertreter aller Hilfsorganisationen eingeladen sind. Feuerwehren, Polizei, DLRG und beteiligte Behörden gehören dazu. „Es ist immer ein großes und wichtiges Treffen von allen an der Rettungskette Beteiligten.“

Einsatz auch bei großen Krisen-Lagen

Neben der Begleitung von Angehörigen nach plötzlichen Todesfällen (80 Fälle) und der Überbringung von Todesnachrichten (20) waren die Betreuung von Verkehrsunfall-Opfern (20) und von Angehörigen nach Suiziden (23) weitere wichtige Einsatzgebiete der Notfallseelsorger 2022. Auch beim Amoklauf an der Hochschule Hamm-Lippstadt wurden Kräfte aus dem Kreis Warendorf angefordert. Für das G7-Außenministertreffen in Münster waren sieben Seelsorger in Bereitschaft.

Jedes Jahr werden für diesen ehrenamtlichen Dienst etwa fünf Personen im Kreis neu ausgebildet – ein intensives Angebot der Arbeitsgemeinschaft Notfallseelsorge Münsterland mit insgesamt 150 Ausbildungsstunden. „Bewerben kann sich jeder, der sich interessiert und für die Aufgaben geeignet fühlt“, sagt Remke.

"Notfallseelsorger brauchen Lebenserfahrung"

Kontakt zur Notfallseelsorge im Kreis Warendorf: Remke-M(at)bistum-muenster.de

Bei der Bewerbung wird die grundsätzliche Motivation abgefragt, im Vorstellungsgespräch geht es auch um Glaubens-Hintergründe. „Religiöses Leben ist aber keine zwingende Voraussetzung für den Einsatz in der Notfallseelsorge. Wohl aber der Wille, religiöse und spirituelle Angebote mitzutragen.“

Entscheidend für die Eignung, in Extrem-Situationen für Betroffene da sein zu können, ist für Remke oft der Lebensweg der Bewerber. „Welche Belastungen haben sie bislang selbst erlebt und wie haben sie diese gemeistert?“ Eine positive Lebenserfahrung im Umgang mit eigenen Krisen gebe Notfallseelsorgenden in der Regel die so wichtige Ruhe im Einsatz.

Auch bundesweit werden bei Katastrophen und Unfällen immer häufiger Seelsorgerinnen und Seelsorger angefordert. "Bundesweit gibt es rund 8.000 Mitarbeitende in der Notfallseelsorge und Krisenintervention, die im vergangenen Jahr insgesamt mehr als 30.000 Einsätze hatten mit rund 100.000 betreuten Menschen", sagte der Vorsitzende der Konferenz Evangelische Notfallseelsorge, Justus Münster, am Donnerstag in Erfurt beim Bundeskongress "Notfallseelsorge und Krisenintervention".

Der Vorsitzende der Bundeskonferenz Katholische Notfallseelsorge, Stephan Koch, erwartet weiter steigende Einsatzzahlen. "Auch weil die Bedarfe steigen: Die Menschen sind durch die vielfältigen Krisen unserer Zeit verletzlicher geworden", so Koch. Durchschnittlich dauere ein Einsatz zwei bis drei Stunden.

Münster forderte, der Staat müsse diese Netzwerke stärker fördern. Zwar gebe es bereits eine Refinanzierung der kirchlichen Aufwendungen für die Notfallseelsorge, diese sei jedoch nicht einheitlich geregelt. (KNA)

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