WIEDERERÖFFNUNG

Notre Dame in Paris bliebe stumm – ohne die „Küsse“ aus Niederbayern

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Am Samstag, 7. Dezember, erklingen die Glocken von Notre Dame in Paris wieder. Was nicht gelänge, gäbe es nicht Spezialisten aus einem Dorf im Rottal.

Von KNA, jjo

Ohne Spezialisten aus einem Dorf in Niederbayern würden die Glocken von Notre Dame in Paris schweigen - auch nach der Wiedereröffnung der frühgotischen Kathedrale, die Mitte April 2019 in Flammen aufging. Denn Glockenklöppel aus Anzenkirchen im Rottal verleihen der "Emmanuel" und ihren neun Geschwistern ihre Stimmen.

Martin Wensauer und seine zehn Hammerschmiede sind stolz, dass sie Anteil am Wiederaufbau haben. Seit 1863 werden im Familienbetrieb Metalle per Hand geschmiedet.

Klöppel aus Niederbayern für das ganze Geläut von Notre Dame

Bei Glockenklöppeln sind die Niederbayern praktisch Marktführer. Glockengießer aus aller Welt rufen an, wenn es genau sein und auch einmal sehr schnell gehen muss.

Etwa, als Schweizer Gießer innerhalb weniger Monate Klöppel für das komplette Geläut von Notre Dame orderten. "Das war schon cool", meint der Chef. "Für diese Kathedrale arbeiten zu dürfen, war für uns eine Auszeichnung."

447 Kilogramm Stahl

Die "Emmanuel" im Südturm von Notre Dame ist die größte Glocke Frankreichs. 447 Kilogramm Stahl haben die Hammerschmiede verarbeitet, damit die rund 13 Tonnen Masse wieder im Schlagton fis erklingen.

Ein Klöppel muss mit seiner Gewichtsverteilung individuell an die Glocke und den Läutewinkel angepasst sein. "So eine Glocke ist eigentlich ein eigenes Musikinstrument", sagt Wensauer. Das Geläut also ein Orchester aus Bronze.

Klöppel aus einem Stück Stahl

Um Nuancen geht es, wenn der Schmiedehammer auf das glühende Erz mit rund 1.000 Grad ohrenbetäubend kracht. Millimeter-Arbeit mit schwerem Gerät.

Aus einem Stück Stahl muss der Klöppel geschmiedet werden. Als Einzelstück im Freiformschmieden. Das Schwung- und Flugverhalten ist zu berechnen und der Anschlag an der Glocke.

Der “Kuss" mit der Glocke

"Der Klöppel ist vor allem im Bereich des Schaftes sehr hohen Belastungen ausgesetzt", sagt der Firmenchef. Das Schmieden "hat den entscheidenden Vorteil, dass die Materialfasern zwar verformt, aber nicht unterbrochen werden". Somit hat der Klöppel eine höhere Festigkeit, mit der er die Glocke "küsst", wie es in der Tradition heißt.

Die "Emmanuel" wird ausschließlich zu besonderen Anlässen und Festtagen "geküsst". Etwa zur Wiedereröffnung von Notre Dame am Vorabend des 8. Dezember. Am katholischen Hochfest der "ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria" feiern die Pariser das Fest der Patronin ihrer Kathedrale.

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