Welche Rolle spielt das „C“ heute noch?

Ob Spahn, Merz oder AKK - die CDU wird an der Spitze katholisch

Der Wechsel an der Spitze der CDU wird in jedem Fall auch die Konfession betreffen. Doch wie relevant ist der Unterschied überhaupt noch in der aktuellen politischen Landschaft?

Anzeige

Der Wechsel an der Spitze der CDU wird in jedem Fall auch die Konfession betreffen. Doch wie relevant ist der Unterschied überhaupt noch in der aktuellen politischen Landschaft?

Eins ist schon jetzt klar: An der Spitze der CDU - und möglicherweise später auch im Kanzleramt - folgt auf die evangelische Pfarrerstochter Angela Merkel ein(e) Katholik(in): Jens Spahn (38), Annegret Kramp-Karrenbauer (56) oder Friedrich Merz (62). Und nicht nur hier geht der Trend in der CDU-Spitze von protestantischer zu katholischer Dominanz - in der Bundesregierung, der Bundestagsfraktion und an der Spitze CDU-regierter Länder. Aber: Macht die Konfessionszugehörigkeit in der überkonfessionellen Partei überhaupt noch einen Unterschied?

 

Katholiken sind gläubiger

 

Soziologisch lassen sich nach Aussage des katholischen Publizisten Andreas Püttmann in der Bevölkerung durchaus noch konfessionelle Unterschiede bei gesellschaftspolitischen Fragen feststellen: Katholiken seien in allen Umfragen generell „gläubiger“ und gingen häufiger zur Kirche. Das „Verpflichtungsgefühl auf Fundamentalnormen wie die Heiligkeit des Lebens“ sei größer. So unterstützten sie bei Abtreibung und Sterbehilfe stärker das Tötungstabu.

Einen Unterschied stellt er in Umfragen auch im Verhältnis zum Islam fest: Katholiken seien im Alltagsfragen toleranter gegenüber Muslimen, während Protestanten weniger Probleme hätten mit Grundsatzaussagen wie „Der Islam gehört zu Deutschland“.

Wie schwer wiegt der Unterschied aber in der politischen Entscheidung? Der Mainzer Historiker Andreas Rödder sieht vor allem an der Parteibasis Interesse für „originär katholische Themen“. Auf der Entscheidungsebene dagegen habe man sich eher „dem rotgrünen Mainstream angepasst“.

 

Wie steht es um das „C“?

 

Wie steht es dann allgemeiner um das „C“? Immerhin setzen alle Kandidaten auf mehr Identität und Profil der Partei. Kramp-Karrenbauer etwa nennt das „C“ den „wichtigen Leitbuchstaben“, aus dem heraus die CDU Antworten auf die gesellschaftspolitischen Herausforderungen geben müsse. Für Rödder bleibt - nicht nur bei AKK - offen, was genau unter dem „christlichen Menschenbild“ zu verstehen sei und beobachtet unterschiedliche Interpretationen im Konkreten.

Der mit einem Mann verheiratete Spahn sieht jedenfalls in seiner Lebensgestaltung keinen Widerspruch zur Kirchenzugehörigkeit. In seiner Wohnung hängt ein lilafarbenes Neonkreuz. „Ich suche im Glauben vor allem Halt und Spiritualität, Inspiration und Antrieb“, so Spahn. Von den Kirchen fordert er zugleich, sich auf „ihre Kernthemen“ wie Seelsorge, Glaubensvermittlung und das Karitative zu konzentrieren. Unter Hinweis auf die Debatten um Migration und Asyl nennt er es „irritierend“, dass ein „religiös inspirierter oder kirchlich unterstützter Moralismus um sich greift und von der Gesellschaft wie der Politik fordert, seiner engen Gesinnungsethik Folge zu leisten“. Auch beim Thema Organspende steht seine Widerspruchslösung konträr zur katholischen Position.

 

Konservativ, islamkritisch und eher wirtschaftsliberal

 

Merz umwirbt eher dieselbe Klientel wie Spahn. Konservativ, islamkritisch und eher wirtschaftsliberal wie dieser, gilt Merz als Hoffnungsträger derjenigen, die der Ära Merkel kritisch gegenüberstehen. Aus konservativ-katholischem Elternhaus, heimatverbunden und als Mitglied in katholischen Vereinen wie der Kolpingsfamilie sieht er in der Kirche einen Ort existenzieller Orientierung und der „Anwaltschaft für den Menschen“. Allerdings könne die Politik ihren Ansprüchen nicht immer folgen. Das gilt für ihn etwa auch bei der „Ehe für alle“, die er befürwortet.

Kramp-Karrenbauer hält hingegen an der Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau fest. Ebenso gehören für sie Kreuze in Gerichte und Kopftücher nicht ans Lehrerpult. Das Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) macht sich gleichzeitig für das Priestertum der Frau stark. Mit ihrem unprätentiösen Auftreten und ihrer Sachorientierung steht sie am ehesten für Kontinuität. Doch gibt die gesellschaftspolitisch Konservative und wirtschaftspolitisch Christsoziale nicht einfach die „katholische Merkel“ ab - und das nicht erst seit ihrem Widerspruch zur doppelten Staatsbürgerschaft. Eine modernisierte Volkspartei der Mitte mit humanitärer Gesinnung etwa in der Flüchtlingsfrage muss für sie nicht im Widerspruch zu „Identität, Heimat und Verwurzelung“ stehen.

Angesichts der unterschiedlichen Interpretationen und auch im Verhältnis zu „konservativ“ ist für Rödder „das Christliche in der CDU eher Bestandteil im kulturellen Grundrauschen, als dass es sich genau durchdeklinieren ließe“. Dass es in Einzelfragen dennoch hohe Relevanz für politische Entscheidungen gewinnen kann, zeigt sich für Püttmann beispielhaft an der Flüchtlingsfrage.

Anzeige