Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft sprach im Dom in Münster

Ökonom Hüther: Corona-Krise darf Gesellschaft nicht spalten

Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, warnt vor einer gesellschaftlichen Spaltung durch die Corona-Krise. „Die Menschen nehmen wahr, dass der Kontrollverlust zunimmt“, sagte er im Dom in Münster. „Umso mehr muss die Freiheit gesichert werden.“

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Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, warnt vor einer gesellschaftlichen Spaltung durch die Corona-Krise. „Die Menschen nehmen wahr, dass der Kontrollverlust zunimmt“, sagte er am Mittwochabend bei einem Vortrag im Dom in Münster. „Umso mehr muss die Freiheit gesichert und die Spaltung überwunden werden.“

Hüther kritisierte „seltsame Diskurse“, etwa, wenn die Maskenpflicht als „Regime der Unfreiheit“ abgelehnt werde. Viele Menschen würden nicht mehr erkennen, dass der öffentliche Raum vom Verhalten des Einzelnen abhänge. Um die öffentliche Stabilität zu gewährleisten, brauche es die Bereitschaft, die Einschränkung von individuellen Wünschen und Freiheiten zu akzeptieren.

 

„Unsere Verletzlichkeit nicht ausblenden“

 

Die Anforderungen an den Staat in Bezug auf Sicherheit und Stabilität müssten aber auch realistisch sein. „Wir müssen unsere Verletzlichkeit und Sterblichkeit mehr in die Mitte des Lebens hinein rücken, statt sie auszublenden und auszugrenzen“, forderte Hüther. Handlungsfähigkeit, Nüchternheit, Demut und die Einsicht in das Unvollkommene des Wissens und Daseins seien gefragt.

Eine Grenzsituation wie derzeit habe die Gesellschaft lange nicht erlebt, so Hüther. Das begründe „ein Spannungsproblem“ für Politik und Gesellschaft. Der Staat sei aber nicht ohnmächtig, sondern handlungsfähig und habe den Ausnahmezustand im Frühjahr gut gemeistert. Der Wirtschaftsexperte sprach in der Reihe „Domgedanken“, die unter dem Leitwort stehen „Zurück zum Leben mit Corona – fünf Abende der Hoffnung“.

 

„Wir haben das Tal der Tränen verlassen“

 

Hüther verwies darauf, dass bereits die Finanzkrise ab 2007 und der starke Zuzug von Flüchtlingen nach 2015 zu einem Vertrauensverlust geführt hätten, der noch nachwirke. Die Corona-Pandemie sei dann als „Schock ohne jede Perspektivenvermittlung“ gekommen. Für alle drei Krisen werde die Globalisierung verantwortlich gemacht – was aber den Blick auf das verstelle, was wirklich passiert sei.

„Die Wirtschaftspolitik hat in den letzten Monaten viel richtig und zur rechten Zeit gemacht“, lobte Hüther. „Dadurch haben wir das Tal der Tränen bereits verlassen.“ Gesellschaft und Wirtschaft seien stabil.

 

Lockerungen und Risiko

 

Die die momentanen Lockerungen könnten als „Abkehr vom Sicherheitsversprechen“ wahrgenommen werden. Allerdings brauche es die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, mit Risiken umzugehen, so der Institutsdirektor.

In der Reihe „Domgedanken“ spricht am Mittwoch, 2. September, ab 18.30 Uhr die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen. Im Dom selbst gibt es keine Plätze mehr, der Vortrag wird aber live im Internet bei „Kirche-und-Leben.de“ übertragen.

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