Caritas und evangelische Kirche nutzen frühere St.-Ansgar-Kirche in Wilhelmshaven

Ökumenisches Familienzentrum in ehemaliger katholischer Kirche

Hier feierte früher die Gemeinde St. Ansgar Wilhelmshaven ihre Gottesdienste. Seit sechs Jahren betreiben Caritas und evangelische Kirche dort ein städtisches Begegnungszentrum für Familien.

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Im November 2013 flossen hier Tränen. Die Pfarrkirche St. Ansgar, Mittelpunkt einer kleinen Gemeinde im Westen von Wilhelmshaven, wurde profaniert. Dann war sie nur noch ein leeres Gebäude. Sechs Jahre später toben hier Kinder und lachen hier ihre Mütter. Caritas und evangelische Familienbildungsstätte betreiben dort das Familienzentrum West.

In der früheren Taufkapelle krabbeln Kleinkinder über Spielteppiche, im früheren Chorraum kochen die Mütter Tee. In die ehemalige Sakristei kommt einmal die Woche die Schwangerschaftsberaterin der Caritas, ein anderes Mal die Beraterin für Mutter-Kind-Kuren.

Beim Mütterfrühstück am Dienstagmorgen sitzt eine 20-jährige alleinerziehende Mutter neben der verheirateten Lehrerin mit dem dritten Kind. Sie kommen ins Gespräch, über Fragen, die für alle Mütter gleich sind. „Das ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit“, sagt Gabi Willich, Sozialarbeiterin im pädagogischen Team des Zentrums. „Wir bringen Familien zusammen. Bei uns kann man andocken.“ Und genau das habe das städtische Jugendamt mit seinem Konzept der Familienzentren auch bewirken wollen.

 

Die Kirche wurde geschlossen

 

Als 2008 neun Gemeinden in Wilhelmshaven und Sande zu einer Gemeinde zusammengelegt wurden, gab die neue Gemeinde St. Willehad in ihrem Immobilienkonzept vier Kirchen auf, sie wurden profaniert. 2013 auch St. Ansgar im Westen der Stadt.

Was tun mit einem leeren Gottesdienstraum? In Wilhelmshaven übernahmen die Malteser eine der Kirchen als Lagerraum, für eine andere fand sich schlicht keine Nutzung, sie wurde abgerissen. St. Ansgar aber kam der Stadtverwaltung wie gerufen.

 

Die Stadt suchte einen Standort

 

Im Rahmen eines Konzepts wohnortnaher Sozialarbeit plante die Stadtverwaltung, vier dezentrale Familienzentren aufzubauen. In westlichen Vororten war nur lange kein Raum zu finden. St. Ansgar aber war von Lage und Ausstattung her geeignet. Die Kirchengemeinde St. Willehad baute den Raum um und vermietet ihn seitdem an die Stadt für das Familienzentrum West. Der laufende Betrieb dort liegt in der Hand beider großer Kirchen.

Ob und wie das klappen würde, sei anfangs durchaus unklar gewesen, sagt Olaf Kordecki, für die Caritas Geschäftsführer des Zentrums. Denn das Einzugsgebiet sei vielschichtig und unübersichtlich, die Arbeit eines solchen Familienzentrums für Caritas und evangelische Familienbildungsstätte Neuland.

 

Im Jahr mehr als 25.000 Kontakte

 

Der Erfolg habe dann aber allen Hoffnungen Recht gegeben, berichtet Gabi Willich. Im Frühjahr 2014 wurde das Zentrum eröffnet, bis zum Ende des Jahres seien schon 6.000 Menschen gekommen. Inzwischen zähle es im Jahr 25.000 Kontakte. „Viele sagen uns: Wie hat das hier im Viertel nur geklappt ohne euch?“

In den vierzehn Stadtteilen, für die das Familienzentrum arbeitet, gebe es „viel versteckte und verschämte Armut“, berichtet Gabi Willich. „In den Grundschulklassen sind immer fünf oder sechs Kinder in Not.“ Diese Familien versuche man durch offene Angebote wie das Familienfrühstück anzusprechen. „Dann sind alle 64 Plätze besetzt, dazu noch die Kinder. Dann wird es laut.“ Inzwischen habe man eine sogar Schallschutzdecke in den früheren Kirchenraum eingezogen, berichtet Olaf Kordecki.

 

Jeder ist ein normaler Gast

 

Diese Arbeit zieht Menschen an, das hat Gabi Willich erfahren. „Hier sind alle erst einmal ganz normale Gäste. Das spricht sich auch bei sozial Schwachen herum. Die trauen sich inzwischen und kommen zu uns.“

Olaf Kordecki erinnert sich an die heftigen Diskussionen unter den Katholiken der Stadt, als die Kirche St. Ansgar geschlossen und profaniert werden sollte. „Natürlich gibt es immer Kritik bei Kirchenschließungen. Aber die Menschen hier akzeptieren uns inzwischen – weil wir gute Arbeit leisten.“  Gabi Willich hat früher oft die Befürchtung gehört, „irgendetwas Kommerzielles“ werde hier entstehen. Es kam anders. Nun hört sie dankbare Stimmen: „Hier erreicht die Kirche Familien.“ Für sie der Beweis: „Wir haben eine echte Lücke geschlossen.“

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