Zeltlager bei Wesel mit 3500 Pfadfindern aus dem Bistum Münster

Ohne Lagerfeuer funktioniert es bei den Pfadfindern nicht

3500 Kinder und Jugendliche der Deutschen Pfadfinder Sankt Georg (DPSG) im Bistum Münster treffen sich über Christi Himmelfahrt für vier Tage bei Wesel am Rhein. Auch in dieser Größenordnung geht es nicht ohne Romantik.

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Ja, genau so stellt man sich einen Pfadfinderleiter vor. Vollbart, kernig und mit jeder Menge Geschichten aus seiner Laufbahn vom Jungpfadfinder bis zum Gruppenleiter. „Elvis“ nennen ihn alle. „Den Spitznamen hat irgendjemand mal erfunden, weil ich so eine Haar-Tolle hatte.“

Der Name ist geblieben, wie die Erinnerungen an viele seiner Zeltlagern, Gruppenstunden und Arbeiten in der Organisation. „Wunderbar“, nennt er sie. So schön, dass er unbedingt möchte, dass die Kinder sie heute ähnlich erleben können. Deshalb ist er auch noch mit 43 Jahren mit von der Partie. Beim großen Diözesan-Lager der Deutschen Pfadfinder St. Georg (DPSG) am Auesee bei Wesel wird er sich vor allem um Fotos und die Öffentlichkeitsarbeit kümmern.

 

Singen und Stockbrot

 

Es war von Beginn an das abendliche Lagerfeuer, das ihn fesselt, seitdem er mit 13 Jahren in den DPSG-Stamm in Senden eintrat. „Da schlägt das romantische Herz der Pfadfinder“, sagt er. „Singen, spielen, Stockbrot backen.“ Und Geschichten erzählen.

Ein Mann, viele Geschichten: Andreas Krüskemper, alias „Elvis“.
Ein Mann, viele Geschichten: Andreas Krüskemper, alias „Elvis“. | Foto: Michael Bönte

Davon kennt „Elvis“, der eigentlich Andreas Krüskemper heißt, eine ganze Menge. Die schönste? Er überlegt nicht lange. „Die Deutschland-Rundreise mit zehn jungen Pfadfindern im Jahr 2005.“ Es ging mit der Bahn entlang der deutschen Grenze, vom Bodensee rauf bis an die Küste. Geschlafen wurde in Pfarrheimen und auf Zeltplätzen. An der Ostsee mussten sie länger bleiben. „Weil der Bahndamm nach Travemünde unterspült war.“ Solche Abenteuer vergisst man nicht. Und sie sind guter Erzähl-Stoff am Lagerfeuer.

 

Nächtelang diskutiert

 

Romantisch ist es oft, sagt „Elvis“: Spielend die Natur kennenlernen, Gemeinschaft erleben, in Jurten, den großen Zelten, schlafen. Das Dasein des Pfadfinders aber auf Lagerfeuer und Schnitzeljagd zu reduzieren, greift für ihn viel zu kurz. „In den regelmäßigen Gruppenstunden, in Leiterrunden oder bei Treffen auf Bezirks- oder Diözesanebene geht es oft um politische und soziale Inhalte.“ Er kann sich gut erinnern, wie in früheren Ferien­lagern nächtelang diskutiert wurde. „Etwa über die Frage, ob man als Pfadfinder in die Restaurants großer Imbiss-Ketten gehen darf.“

Auch die tägliche gute Tat, zu der Pfadfinder-Gründer Robert Baden-Powell die Anhänger seiner Bewegung vor mehr als 100 Jahren aufrief, ist keine romantischer, aber fester Bestandteil geblieben. Allerdings hat sie ihr Gesicht verändert. „Elvis“ lacht: „Der alten Dame über die Straße helfen, war nie Thema.“ Soziales Engagement wohl.

 

Konkurrenzfähiges Angebot?

 

Projekte in der Entwicklungshilfe, in der Flüchtlingsarbeit oder in der gemeinnützigen Arbeit vor Ort gehören für fast alle Pfadfinderstämme dazu. Nicht zuletzt motiviert durch den christlichen Hintergrund der Gemeinschaft. Gebet und Gottesdienste haben ihren festen Platz bei den Veranstaltungen.

Größter Diözesanverband
Die DPSG im Bistum Münster ist mit etwa 9500 Mitgliedern der größte Pfadfinder-Diözesanverband bundesweit. Auch vom Gebiet her: Vom Niederrhein bis zur Nordseeküste ist er unterteilt in neun Bezirke mit 125 Stämmen. Das Diözesanzentrum ist die Jugendbildungsstätte Gilwell St. Ludger auf dem Annaberg in Haltern am See.  Bundesweit hat die DPSG etwa 95 000 Mitglieder.
    www.dpsg-muenster.de

Es gibt eine Frage, die „Elvis“ sichtlich amüsiert: Kann ein solches Angebot gegen den heutigen Wust an Freizeit-Möglichkeiten bei jungen Menschen überhaupt noch punkten? „So wie es für mich nicht an Reiz verloren hat, so hat es auch für Kinder und Jugendliche nicht an Reiz verloren.“ Er geht noch weiter: „Vielleicht ist unser Angebot heute sogar noch wichtiger geworden, um ihnen einen Raum zu geben, wo Hektik, Leistung und Schnelllebigkeit keinen Platz haben.“ Kein wildes Jagen nach virtuellen Tieren auf dem Handy-Display. „Sondern Stöbern im Wald nach echten Markieren auf der Schnitzeljagd.“ Kein Lernen unter Druck, mit dem Ziel möglichst schnell möglichst viel Wissen und Fähigkeiten anzuhäufen. „Sondern in Ruhe einmal durchzuatmen und Dinge entdecken, die ihnen wirklich Spaß machen.“ Nicht den Ellenbogen auspacken, um der Konkurrenz standhalten zu können. „Sondern in der Gruppe erleben, was gemeinschaftliches Handeln und Rücksicht bewirken können.“

Ein Erfolgsrezept, das weiter gilt, sagt „Elvis“: „Oder gibt es einen anderen Jugendverband, in dem die Mitgliedszahl immer noch zunimmt?“ Die Zeiten, in denen die Eltern ihre Kinder im örtlichen Stamm anmeldeten, bevor sie geboren wurden, sind zwar vorbei. „Es gab Wartelisten, die länger waren als die Mitgliedslisten.“ Nachwuchsprobleme gibt es aber auch heute nicht: 9500 Pfadfinder zählt der DPSG-Diözesanverband immer noch. Tendenz steigend.

 

Zeit für Romantik

 

Aber ein Lager mit 3500 Kindern und mehr als 200 Helfern – da wird von der von ihm geliebten Atmosphäre doch nicht viel übrig bleiben, oder? „Ein wenig wird sie darunter leiden“, gibt „Elvis“ zu. Gottesdienst im Zirkuszelt, Planspiele mit Gruppenstärke von bis zu Teilnehmern, Großleinwände, um die Jugendlichen zu informieren – wo bleibt da die Lagerfeuer-Romantik?

„Die wird nicht fehlen“, sagt er. „Es wird mehrere kleine Lagerfeuer geben, denn ohne funktioniert ein Pfadfinderlager einfach nicht.“ Er selbst hofft, dass ihm bei allem Stress in der Organisation die Möglichkeit bleibt, in einer dieser Runden Platz zu nehmen. Wäre ihm zu gönnen. Und auch den jungen Pfadfindern, denen er seine Geschichten erzählen könnte.

2500 Heringe halten in Wesel die Zelte
Am Christi-Himmelfahrts-Wochenende treffen sich etwa 3500 Mitglieder der DPSG im Bistum Münster am Auesee bei Wesel am Niederrhein. „Packs´s an – denn die Zukunft sind wir“ lautet das Motto des Zeltlagers. Das Ziel: Die Teilnehmer sollen aufgerufen werden, den Verband und die Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Spielerisch werden sie sich mit dem Thema auseinander setzen. Das Treffen ist Teil der bundesweiten DPSG-Kampagne „Zukunftszeit“.
Gleichzeit feiert der Diözesanverband mit dem Großlager sein 85-jähriges Bestehen. Mit prominenten Gästen. So hat sich unter anderem Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als Gratulantin angemeldet.
Etwa 70 Helfer werden bereits eine Woche zuvor mit dem Aufbau des Lagers beginnen. Auch ein Zirkuszelt für die zentralen Veranstaltungen gehört dazu. Während der Tage am Rhein werden mehr als 200 meist ehrenamtliche Kräfte im Einsatz sein. In 180 Edelstahltöpfen wird das Essen zubereitet, 1250 Getränkekisten sind geordert, und die Zelte werden von 2500 Heringen gehalten.
79 Pfadfindergruppen aus dem Bistum haben sich angekündigt. Sie kommen zum ersten Großlager seit 2007, als der DPSG-Diözesanverband das weltweit  100-jährige Bestehen der Pfadfinder feierte. Zum Programm gehören unter anderem ein Großspiel mit mehr als 2500 Teilnehmern und ein Gottesdienst mit Weihbischof Christoph Hegge.



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