100. Geburtstag des Erzbischofs am 15. August

„Oscar Romeros Handeln ist ein Vorbild für alle Christen“

Am 15. August wäre Erzbischof Oscar Romero 100 Jahre alt geworden. Anne Nibbenhagen, Geschäftsführerin der Christlichen Initiative Romero aus Münster, sagt im Interview, was der Namensgeber für die Hilfsorganisation und ihre Arbeit bedeutet.

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Am 15. August wäre Erzbischof Oscar Romero aus El Salvador 100 Jahre alt geworden. Der inzwischen Selige wurde am 24. März 1980 während eines Gottesdienstes erschossen, als Auftraggeber stehen Militärs im Verdacht. Eine Hilfsorganisation mit Sitz in Münster trägt Romeros Namen. Anne Nibbenhagen, Geschäftsführerin der Christlichen Initiative Romero, sagt im Interview, was der Namensgeber für sie und ihre Arbeit bedeutet.

„Kirche+Leben“: Warum hat sich die Christliche Initiative Romero nach Oscar Romero benannt?

Anne Nibbenhagen: In den Siebzigerjahren gab es Solidaritätskomitees von evangelischen und katholischen Studierenden. Sie unterstützten unterdrückte Bevölkerungsgruppen und Bürgerkriegsopfer in Mittelamerika, zum Beispiel in El Salvador, Honduras und Nicaragua. In den Ländern wurde zum Teil gewaltsam verhindert, Verantwortliche für die Unterdrückung zur Rechenschaft zu ziehen. Oscar Romero wurde 1980 erschossen, weil er die Täter benannt hat. Da war uns klar: Er ist ein guter Namensgeber für unsere Initiative.

Wie hilft die Christliche Initiative Romero?

Wir setzen uns seit 1981 für Arbeits- und Menschenrechte ein, indem wir Basisbewegungen und Organisationen in Mittelamerika unterstützen. Wir haben zum Beispiel die Nähfabriken im Blick, die im Auftrag von Unternehmen aus Europa für den Weltmarkt produzieren. Wir sorgen mit Kampagnen dafür, dass die Auftraggeber in Deutschland ihre Verantwortung für menschenwürdige Arbeitsbedingungen wahrnehmen. Zudem leisten wir Bildungs- und Aufklärungsarbeit.

Wen unterstützen Sie noch?

Die Ureinwohner, die indigenen Völker. In vielen Ländern Mittelamerikas tun die Regierungen so, als gäbe es diese Menschen gar nicht. Dabei sollten sie ein Recht darauf haben, dass ihre Kulturen und Werte bewahrt werden – zum Beispiel, indem in indigenen Sprachen an Schulen unterrichtet wird. Und wir unterstützen Frauen. Häusliche Gewalt ist ein großes Thema in Mittelamerika. Das hat viel mit dem „Machismo“ zu tun, mit dem Selbstbild der Männer dort.

Woher kommt das Geld, mit dem die Initiative hilft?

Zum einen haben wir ein Spendenvolumen von etwa 500.000 Euro im Jahr. Zum anderen wird unsere Arbeit vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bezuschusst, aus Programmen der Europäischen Union und von christlichen Trägern, zum Beispiel vom Komitee für den Weltgebetstag der Frauen.

Was verbindet Sie in Ihrer Arbeit mit Erzbischof Romero?

Anne Nibbenhagen.
Anne Nibbenhagen. | Foto: Christliche Initiative Romero

Oscar Romero ist erst mit der Zeit zum Kämpfer gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung geworden. Anfangs ist es ihm schwer gefallen, Unrecht beim Namen zu nennen, weil er die Verantwortlichen dafür lange kannte. Aber irgendwann ist ihm klar geworden: „Ich muss jetzt meine Stimme erheben.“ Darin ist Romero ein Vorbild für alle Christen. Christentum ist nicht nur etwas Spirituelles. Das Evangelium zu leben heißt auch, anzuecken und konkrete Lösungen für Probleme zu suchen.

Nach einem jahrelang stockenden Prozess ist Oscar Romero am 23. Mai 2015 selig gesprochen worden – von Papst Franziskus, einem Lateinamerikaner. Wie hat sich in seiner Amtszeit Ihre Arbeit verändert?

Es stärkt und ermutigt uns, dass jemand die Kirche führt, der in eine ähnliche Richtung denkt wie Oscar Romero. Wir merken das auch im Kontakt mit Unterstützern in Deutschland. Wenn uns Leute anrufen, sich informieren wollen über unsere Arbeit, wenn sie Materialien bestellen oder spenden wollen, dann sagen sie immer wieder, sie hätten das Gefühl, in der Kirche würde sich etwas bewegen.

Viele Anhänger Romeros hoffen auf seine Heiligsprechung – Sie auch?

Für die Menschen in El Salvador wäre das ein wichtiges Signal, auch wenn sie Romero heute längst wie einen Heiligen verehren. Ich habe aber auch eine Sorge. Nämlich, dass Oscar Romero als Heiliger entrückt und überhöht wird. Dass die Menschen sagen: „Was er getan hat, kann ich ja doch nicht erreichen.“ Das darf nicht passieren. Das Herausfordernde, das Verändernde, das praktische Tun im Sinne Oscar Romeros darf nach einer Heiligsprechung nicht unter den Tisch fallen.

Heiligsprechung vielleicht schon 2018
Eine Heiligsprechung von Oscar Romero ist nach Einschätzung des Vatikans vielleicht schon 2018 möglich. Wenn die auf Ortsebene in San Salvador abgeschlossene Prüfung eines Heilungswunders auch im Vatikan reibungslos verlaufe, könne man für das kommende Jahr hoffen, sagte der Postulator des Verfahrens, Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, in Radio Vatikan. Das Wunder betreffe eine schwangere Frau, die samt ihrem Kind nach Fürbitte an Romero auf medizinisch unerklärliche Weise gerettet worden sei. (KNA)

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