Ruhrbischof sieht Gefahr einer „Hartz-IV-Tradition“ in Familien

Overbeck sieht mögliche Erhöhung von Hartz IV skeptisch

Eine mögliche Erhöhung von Hartz-IV-Leistungen sieht der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck skeptisch. Zugleich müssten den Beziehern auch Anreize geboten werden, wieder in Arbeit zu kommen.

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Eine mögliche Erhöhung von Hartz-IV-Leistungen sieht der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck skeptisch. Es bestehe die Gefahr, dass es in einem solchen Fall mehr Familien mit „regelrechter Hartz-IV-Tradition“ geben könnte, sagte Overbeck im Interview der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Samstag).

„Auch deshalb, weil Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, nicht viel mehr haben.“ Daher solle stärker über „Teilhabe und auskömmliche Löhne“ diskutiert werden. „Und dabei nicht vergessen, dass die meisten, die darüber reden, wie auch wir hier am Tisch, nicht selbst in der schwierigen Situation dieser Menschen sind.“

Auf die Frage, ob Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Recht gehabt habe, als er sagte, in Deutschland müsse wegen der Absicherung durch Hartz IV niemand hungern, sagte Overbeck: „Das ist mir zu extrem und unpassend mit Blick auf die vielen Menschen, die es sehr schwer haben, ihren Alltag zu bewältigen.“ Der Staat ermögliche mit Hartz IV, „was geht“. Die Sozialleistung liege allerdings am Rande des Existenzminimums und manchmal darunter. Zugleich müssten Bezieher von Hartz IV „einen Anreiz haben, da wieder herauszukommen“.

 

Overbeck hält nicht viel von Spahns Forderungen

 

Der Ruhrbischof betonte: „Ich habe hier jeden Tag Leute, die an die Tür klopfen und um Hilfe bitten.“ Angesichts von Forderungen an Spahn, selbst eine Weile von Hartz IV zu leben, sagte Overbeck: „Ich brauche keine Fensterveranstaltung, um zu zeigen, dass ich solidarisch bin mit Menschen in Not.“ Als Adveniat-Bischof besuche er auch regelmäßig Familien in Lateinamerika, deren Armut er auf solchen Reisen sehe.

Mit Blick auf Armut weltweit kritisierte Overbeck, „viele Länder Afrikas werden in ihrer Armut gehalten wegen der Gewinnmaximierung anderer Länder“. Dazu gehöre auch die Europäische Union „mit ihrer protektionistischen Agrarpolitik“. Es gebe Zusammenhänge zwischen gefühlter und materieller Armut. „Wir leben in einer Welt, in der auch ärmere Menschen Zugang zu modernen Medien haben und dort sehen, was der andere mehr hat.“ Man vergleiche sich mitunter. „Das gilt auch für Menschen in der Dritten Welt, was ein wesentlicher Grund für Flucht und damit Armutsmigration nach Europa ist.“

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