Jens Joest begründet, warum nicht nur Missbrauch ein Grund dafür ist

Päpste sind die falschen Heiligen – nicht erst seit Johannes Paul II.

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Die katholische Kirche hat viele ihrer Päpste heilig gesprochen, zuletzt etwa Johannes XXIII., der das Zweite Vatikanische Konzil einberief, sowie Johannes Paul II. Päpste scheinen der Selig- und Heiligkeit „von Amts wegen“ näher als einfache Gläubige. Das sieht unser Redakteur Jens Joest kritisch.

Die Kirche sollte bis auf Weiteres keine Päpste mehr heilig oder selig sprechen. Das liegt nicht nur an deren Schuldgeschichte.

Verdienste etwa Johannes Pauls II. sind unbestritten, seine Rolle beim Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa ist welthistorisch. Aber heiliggesprochen wurde er allzu rasch, womöglich sogar zu Unrecht.

Egal, wie gründlich die Untersuchung seiner Krakauer Zeit ausfällt: Karol Wojtyla war Erzbischof zu einer Zeit, in der die Leitung wohl jedes Bistums von sexualisierter Gewalt wusste, sie vertuschte, Täter still versetzte.

Was wäre im Fall Benedikts XVI.?

Auch wenn Papst Franziskus in Interviews oft scheinbar Leichtfertiges sagt – im Fall Wojtyla hat er recht: Gefragt nach einer möglichen Versetzung von Tätern durch den späteren Papst sagte er: „Ich kenne den Fall nicht, aber es war das Übliche.“ Das ist hoffentlich kein Aufruf, historische Fehler nur mit Maßstäben von „damals“ zu beurteilen. Es ist eine Tatsachenfeststellung.

Nach einer Heiligsprechung Benedikts XVI. ruft gottlob niemand. Sein Umgang mit Missbrauchstätern als Münchner Erzbischof ist zumindest fragwürdig. Bedauerlich, dass sein Sekretär – dem Testament folgend – dessen private Briefe geschreddert hat. Ob sie bei der Aufarbeitung von Missbrauch hätten helfen können?

Päpste mit anspruchsvollem Job

Päpste sind oberste Bischöfe, Glaubenslehrer womöglich, in heutiger Zeit auch Diplomaten. Heilige sind sie nicht. Sie machen letztlich ihren Job, so anspruchsvoll der auch sein mag.

Es ist gut und hilft der Kirche, dass sich Menschen durch Berufung und Weihe zum Priester und Bischof, womöglich auch durch Wahl zum Papst in den Dienst nehmen lassen. Aber dadurch sollten sie einer Heiligsprechung nicht einen Millimeter näher gekommen sein als die in einer beliebigen Gemeinde engagierte Frau, die zudem in Familie und Alltag ihren Glauben bezeugt.

Mehr Alltagsheilige

Eines der bekanntesten Zitate von Papst Franziskus ist das Bild von einer menschennahen, „verbeulten Kirche“. Einer solchen Kirche täten „verbeulte“ Alltagsheilige gut. Einfache Laien, Frauen wie Männer. Und keine Funktionäre mit Papstmacht.

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