Joachim Frank zu Äußerungen des Papstes bei dessen Belgien-Besuch

In der Frauen-Frage ist Franziskus nur noch zum Fremdschämen

Anzeige

Aktuelle Aussagen von Papst Franziskus zum Wesen und zur Rolle der Frau haben viel Widerspruch ausgelöst. Joachim Frank findet die Wortwahl verräterisch - und sorgt sich, was sie über die Gedankenwelt der Kirchen-Zentrale aussagt. 

Manchmal, wenn irgendwo mal wieder das Gespräch auf Religion, den christlichen Glauben und die Kirche kommt, ärgere ich mich, wie besserwisserisch, herablassend und verächtlich Leute über Dinge reden, die das Leben anderer bereichern und prägen. „Vulgärrationalismus“ hat der Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani einmal die Attitüde genannt, die alles für abwegig und spinnert erklärt, was mit Gott zu tun hat.

Wie aber soll man das nennen, was dem Papst zu Frauen, Geschlechterrollen und Gleichstellung einfällt? Vulgäranthropologie vielleicht? „Die Frau ist fruchtbare Aufnahme, Fürsorge, lebendige Hingabe“, hat Franziskus bei seinem Belgien-Besuch an der katholischen Universität in Louvain gesagt. Und: Es sei hässlich, wenn die Frau sich „zum Mann machen will“.

Franziskus ist Wiederholungstäter

„Hässlich“ ist ein verräterisches Wort. Aus ihm spricht ästhetische wie moralische Abwertung. Die „böse, hässliche Hexe“ lässt grüßen – und damit sämtliche Horrorfantasien, die starke, selbstbewusste, ambitionierte, kämpferische Frauen bei Männern in Gang setzen.

Mit Sprüchen wie denen in Belgien ist Franziskus Wiederholungstäter. Mehrfach hat er sich gegen einen „Machismo im Rock“ gewandt und die „Gender-Ideologie“ als die „schlimmste Gefahr der heutigen Zeit“ bezeichnet - mit Blick auf Klimakatastrophe und weltweit tobende Kriege schon für sich genommen eine abenteuerliche Gewichtung.

Selbst der Stammtisch schämt sich

Der Autor
Joachim Frank ist DuMont-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP) und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Frank ist Träger des „Stern-Preises“ 2023.

Was der Papst unter „Genderfragen“ versteht, das ist so schlicht, so klischeebehaftet, vorurteilsbeladen und so erkennbar von einem scheinbar überlegenen (männlichen) Standort aus gedacht, dass es sogar am sprichwörtlichen Stammtisch nur mehr zum Fremdschämen reicht.

Die „schlimmste Gefahr“ kann Gleichberechtigung der Frauen doch nur für diejenigen sein, die partout nicht von ihrer Übermacht und ihren Privilegien lassen wollen. Wirklich schlimm ist, dass die Mächtigen der katholischen Kirche in der Abwehrschlacht des Patriarchats zum Generalstab gehören, statt eben jene Ideologien und Bilder zu stürmen, die auch und gerade in der Kirche über Jahrhunderte zur Unterdrückung der Frauen geführt haben.

In Frauenfragen keine Orientierungsgröße

Ausgerechnet in Franziskus' Enzyklika „Fratelli tutti“ von 2020 hat die Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer Stellen entdeckt, die in diese andere Richtung weisen. So klagt der Papst, die Gesellschaften der Erde seien „noch lange nicht so organisiert, dass sie klar widerspiegeln, dass die Frauen genau die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben wie die Männer“. Wie wahr!

„Kaum zu glauben, dass er diesen Selbstwiderspruch nicht merkt“, wundert sich Nothelle-Wildfeuer. Richtig. Und wie gut, wenn das offenbar wird. Denn an dem, was der Papst zum Feminismus und zum Kampf für Frauenrechte aus dem weißen Ärmel schüttelt, sollte nun wirklich niemand mehr Maß nehmen. Übrigens auch dann nicht, wenn die Männer im Vatikan es theologisch verbrämt in ein nächstes Dokument über das „Wesen der Frau“ und ihre Rolle in der Kirche gießen.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Anzeige