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Was hat Papst Franziskus mit Weltsynode vor, die Anfang Oktober in die letzte Phase geht? Beschäftigungstherapie oder echter Aufbruch? Jürgen Erbacher ist sich in seinem Gast-Kommentar sicher: Da steht Großes an.
Das Warmlaufen hat längst begonnen. In sechs Wochen beginnt im Vatikan der zweite Teil der Weltsynode. Für die einen scheint die Luft raus aus dem päpstlichen Megaprojekt, nachdem Franziskus im Frühjahr Themen wie das Frauendiakonat oder die Lebensform der Priester aus den Debatten herausgenommen und in eigene Arbeitsgruppen verlagert hat, die neben der Synode arbeiten und im Herbst auch nur Zwischenstände präsentieren werden.
Für die anderen steckt noch genügend Zündstoff in dem Prozess. Der portugiesische Kurienkardinal Jose Tolentino de Mendonca, einer der aktuell engsten Vertrauten des Papstes, sieht die Einführung synodaler Beratungen in der katholischen Kirche als zukunftsweisende Veränderung an. In einem am Montag verbreiteten Interview der argentinischen Tageszeitung "La Nacion" sagte der Kardinal: "Die Frage der Synodalität wird die Zukunft der Kirche prägen." Sie werde künftig keine Pyramide mehr sein, sondern müsse als lebendiger Organismus gesehen werden. Die anstehende Weltsynode werde weitreichende Konsequenzen haben.
Mut zur Ungleichzeitigkeit
Der Autor
Jürgen Erbacher leitet die ZDF-Redaktion „Kirche und Leben katholisch“. Er studierte Katholische Theologie und Politikwissenschaft in Freiburg und Rom.
Der Papst hat erkannt, dass die katholische Kirche im 21. Jahrhundert nicht mehr wie ein monolithischer Block geführt werden kann. Es braucht regionale Unterschiede, stärkere Inkulturation, Mut zur Ungleichzeitigkeit.
Hier sehen gerade die Konservativen den Sündenfall des amtierenden Pontifex. Mehr Ungleichzeitigkeit, stärkere Regionalisierung bedeutet für sie die Aufgabe dessen, wofür die katholische Kirche aus ihrer Sicht steht: ein klares Lehr- und Moralgebäude.
Moral in Europa und Arabien
Doch Franziskus weiß aus eigener Erfahrung, dass die Situation in Buenos Aires eine andere ist als in Jakarta, dass die Kirche in Westeuropa andere Herausforderungen hat als die in Westafrika. Er ist sich auch bewusst, dass längst sehr unterschiedlich gehandelt wird. Mit Moralfragen gehen die Ortskirchen in Westeuropa anders um als die im arabischen Raum. Die Beteiligung von Laien ist von Kontinent zu Kontinent sehr unterschiedlich.
Franziskus will, dass das zum Strukturprinzip der Kirche wird und auch von allen anerkannt wird. Dass das nicht einfach ist, zeigen die Debatten um das Segenspapier “Fiducia supplicans” vom Dezember. Auch wenn in Deutschland viele unzufrieden sind mit diesem Pontifex, er ist dabei, die Kirche entscheidend und nachhaltig zu verändern. Trotz großer Widerstände geht Franziskus seinen Weg weiter und öffnet dadurch auch Räume für Reformen in Lehre und Moral.
In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.