Anzeige
Papst Leo XIV. hat sein erstes Lehrschreiben vorgelegt, allerdings keine Enzyklika. Was darin steht und wo er Gedanken von Franziskus aufnimmt.
Papst Leo XIV. hält an der Kapitalismuskritik seines Vorgängers Franziskus fest. In seinem ersten päpstlichen Lehrschreiben ruft er dazu auf, „Strukturen der Ungerechtigkeit mit der Kraft des Guten zu erkennen und zu zerstören“.
In dem Schreiben übernimmt der US-Amerikaner ausdrücklich die von der Kirche in Lateinamerika seit langem geforderte „Option für die Armen“. Zugleich verwirft der Papst die Idee, eine komplett freie Marktwirtschaft könne die Probleme der Armut und Ungerechtigkeit überwinden.
Vorarbeiten von Papst Franziskus
Das Lehrschreiben trägt den aus einem Bibelzitat abgeleiteten Titel „Dilexi te“ („Ich habe dich geliebt“). Es wurde vom Papst als „Apostolische Exhortation“ unterzeichnet und steht damit vom Grad der Verbindlichkeit eine Stufe unterhalb einer Enzyklika, ist aber ebenfalls eine weltweit zu verbreitende Äußerung des kirchlichen Lehramts.
In „Dilexi te“ greift Leo XIV. nach eigener Aussage Vorarbeiten seines Vorgängers Franziskus auf, der sie zu seinen Lebzeiten nicht mehr abschließen konnte. Ein zentrales Element ist die von den Bischöfen in Lateinamerika seit 1968 entwickelte Forderung, dass die Kirche sich bevorzugt den Armen zuwenden und an der Überwindung sozialer Missstände aktiv mitwirken solle.
„Diktatur einer Wirtschaft, die tötet“
Der Papst übernimmt in dem Schreiben auch einen der provokantesten Sätze seines Vorgängers und betont, es sei notwendig, weiterhin die „Diktatur einer Wirtschaft, die tötet“ anzuprangern. Gegen christliche Verklärungen des Kapitalismus argumentiert er: Obwohl es nicht an Theorien fehle, die versuchten, den aktuellen Zustand zu rechtfertigen, oder erklärten, dass die wirtschaftliche Vernunft von uns verlange, darauf zu warten, dass die unsichtbaren Kräfte des Marktes alles lösten, sei die Würde eines jeden Menschen jetzt und nicht erst morgen zu respektieren.
Weiter heißt es im Text: „Die Tatsache, dass praktizierte Nächstenliebe verachtet oder lächerlich gemacht wird, als handle es sich um die Fixierung einiger weniger und nicht um den glühenden Kern der kirchlichen Sendung, bringt mich zu der Überzeugung, dass wir das Evangelium immer wieder neu lesen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, dass eine weltliche Gesinnung an seine Stelle tritt.“
Bätzing dankbar für Papst-Schreiben
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, zeigt sich dankbar für die Worte Leos XIV. Mit dem Schreiben "Dilexi te" mache er "deutlich, dass er den von seinem Vorgänger eingeschlagenen Weg der Kirche einer verstärkten Zuwendung hin zu den Armen und Benachteiligten weitergeht", würdigte Bätzing. Er hoffe, dass die Worte breite Beachtung inner- und außerhalb der Kirche erfahren.
Bätzing hob den Fokus auf das Verständnis der Kirche als Kirche der Armen hervor. Die Armen seien dem Papst zufolge entscheidend für die Verkündigung des Evangeliums - nicht, um es ihnen zu verkünden, sondern weil Gott bei den Armen zu finden sei. Mit der "Option für die Armen" stelle sich Leo XIV. ganz auf die Seite seines Vorgängers Franziskus.
Auch das Thema Migration findet in "Dilexi te" Erwähnung. Dabei kritisiere der Papst weder einzelne nationale Maßnahmen noch empfehle er bestimmte Vorgehensweisen, so Bätzing. Trotzdem werde deutlich, "dass Christinnen und Christen unglaubwürdig sind und nicht der Botschaft des Evangeliums entsprechen, wenn sie diese Aufgabe und Sendung der Kirche in diese Welt und Gesellschaft hinein nicht ernstnehmen".
ZdK: Leo schärft das Prigramm seines Pontifikats
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, lobte, Leo XIV. spreche ein großes Ja zu einer aktiven Rolle der Kirche in der Welt. Er finde "starke und bewegende Worte, um die schreiende Ungerechtigkeit des herrschenden Wirtschafts- und Sozialsystems anzuklagen". Die religiösen, politischen und ökologischen Initiativen seines Vorgängers Franziskus seien ihm offenbar sehr wichtig.
"Papst Leo schärft das Programm für sein Pontifikat", betonte die Präsidentin des höchsten repräsentativen Gremiums der katholischen Laien. "Ich erwarte, dass er damit sehr konkret auch jene Hälfte der Menschheit stärken wird, die in der Kirche noch immer auf Gleichberechtigung wartet: die Frauen."
Update 14.15 Uhr: Reaktionen Bätzing und Stetter-Karp (jjo.)