KONKLAVE

Gerüchteküche brodelt: So soll Leo XIV. zum Papst gewählt worden sein

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Nichts dringt aus dem Konklave, haben die Kardinäle geschworen. Dennoch wollen Beobachter die Wahl rekonstruiert haben. Was die Gerüchte besagen.

 

Das Konklave, in dem Kardinal Robert Francis Prevost am 8. Mai zum Papst gewählt wurde, fand streng geheim statt. Dennoch ist es Vatikanbeobachtern aus unterschiedlichen Ländern nach eigener Einschätzung gelungen, den ungefähren Verlauf der vier Wahlgänge mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu rekonstruieren. Dafür analysieren die Vaticanisti Aussagen unterschiedlicher Konklaveteilnehmer und ziehen durch Vergleiche und Überschneidungen Rückschlüsse auf den Wahlverlauf.

Demnach hatte der von vielen Medien als Favorit gesehene bisherige Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin einen schlechten Start und blieb deutlich unter den bis zu 50 Stimmen, die ihm eigentlich zugerechnet worden waren. Hingegen habe Prevost gleich zu Anfang stark abgeschnitten und sei auf dem zweiten Platz gelandet. Dafür habe die Vorarbeit einiger Kardinäle im Vorkonklave gesorgt.

Marx soll für Prevost geworben haben

So habe der im Vatikan als progressiv geltende Münchner Kardinal Reinhard Marx, der im Vorkonklave mindestens dreimal zu Wort kam, bei privaten Treffen in seiner römischen Residenz für Prevost geworben. Marx rechne es Prevost demnach hoch an, dass er den deutschen Synodalen Weg durch eine Kompromissformel vor dem kirchenrechtlichen Aus bewahrt habe, während noch Prevosts Vorgänger Marc Ouellet auf harten Konfrontationskurs mit dem Reformprojekt gegangen war.

Beim Werben von Marx für Prevost dürfte auch die prekäre Finanzlage des Heiligen Stuhls eine Rolle gespielt haben. Sie liegt Marx als Chef des vatikanischen Wirtschaftsrats am Herzen, und er weiß, dass sie ohne zusätzliche Hilfe aus den USA kaum zu bewältigen ist.

Tagle schnitt wohl zunächst gut ab

Am anderen Ende des kirchenpolitischen Spektrums, berichten italienische Vaticanisti, habe der sehr konservative Kurienkardinal Raymond Burke sich bei einem Treffen mit Prevost von dessen Rechtgläubigkeit überzeugt. So sei Prevost gleich zu Beginn als lagerübergreifender Kandidat ins Rennen gegangen.

Später kamen Stimmen hinzu, die sich anfangs wohl auf mehrere Kandidaten verteilten. So habe der philippinische Kurienkardinal Luis Antonio Tagle zu Beginn noch halbwegs gut abgeschnitten. Andere zunächst hoch gehandelte Kandidaten wie Pierbattista Pizzaballa (Jerusalem), Matteo Zuppi (Bologna), Mario Grech (Synodensekretariat) und Jean-Marc Aveline (Marseille) seien hingegen abgeschlagen im niedrigen zweistelligen oder gar einstelligen Bereich gelandet.

Bereits beim Abendessen am Mittwoch und in den Stunden danach sei weitere Zustimmung für Prevost mobilisiert worden. Hier habe insbesondere der konservative New Yorker Kardinal Timothy Dolan eine wichtige Rolle gespielt. Er habe dafür gesorgt, dass unter den zum konservativen Lager gezählten Kardinälen Prevost als Kandidat gesehen wurde, der nicht nur die Kontinuität zu Franziskus - als Missionar unter den Armen in Peru - repräsentierte.

Prevost als „Hoffnungsträger“ der Konservativen

Dolan hatte, wie er selbst erzählt, Prevost noch bis zum Vorkonklave kaum gekannt. Doch als er dort mehrfach auf den Mann aus Chicago mit der langen missionarischen Tätigkeit in Peru angesprochen wurde, habe er sich eingehend informiert. Was er fand, hat ihn offenbar überzeugt.

Unter Konservativen sei der in moraltheologischen und kirchenrechtlichen Fragen ebenfalls eher konservative Prevost als Hoffnungsträger identifiziert worden: Er könne dafür sorgen, dass der Vatikan nach dem zeitweise erratischen Regierungsstil von Franziskus wieder zur Normalität in dogmatischen, liturgischen und kirchenrechtlichen Fragen zurückkehre.

„Franziskus-Bashing“ im Vorkonklave

Eine solche Rückkehr war vor allem am letzten Tag des Vorkonklaves von mehreren Rednern angemahnt worden. Klagen über die Unberechenbarkeit des verstorbenen Papstes und seine Neigung zu einsamen Entscheidungen ohne ausreichende vorherige Beratung hatten, wie es unter Teilnehmern hieß, fast schon zu einem „Franziskus-Bashing“ geführt.

Beim zweiten Wahlgang am Morgen des 8. Mai habe Prevost bereits mehr Stimmen als Parolin gehabt, sodass dieser zu verstehen gegeben habe, dass er sein „Stimmenpaket“ auf Prevost übertragen wolle. Ähnlich habe der französische Kardinal Aveline reagiert.

Im dritten Wahlgang seien Prevost weitere Stimmen vor allem aus dem „Synodenlager“ um Grech sowie etliche Stimmen aus Afrika zugewachsen. Hier habe sich seine Zeit als Missionar in Peru sowie als Oberer des in Afrika sehr aktiven Augustinerordens ausgezahlt.

Prevost begann wohl, Rede aufzuschreiben

Im dritten Wahlgang am Donnerstagmittag sei klar gewesen, dass Prevost beinahe uneinholbar vorne lag. Das war vermutlich der Punkt, an dem Prevost, wie Dolan vor Journalisten erzählte, die Hände über dem Kopf zusammenschlug und begann, sich mit dem Unausweichlichen anzufreunden.

In der Mittagspause begann er offenbar schon, auf einem College-Block seine erste Rede aufzuschreiben, die er nach erfolgter Wahl überwiegend vom Blatt ablesen sollte. Im vierten, finalen Wahlgang am Nachmittag habe Prevost schließlich mehr als 100 Stimmen erhalten.

Endgültige Stimmenzahl ungeklärt

Wie viel mehr als 100 es waren, darüber gehen die Spekulationen auseinander. Da etliche Kardinäle von einem „überraschend breiten“ Konsens sprachen, vermuten manche Vaticanisti, es müssten mehr als 110 gewesen sein. Andere schließen aus dem verhalteneren Jubel ihrer Informanten auf „knapp über 100“. So oder so hat Prevost die Mindestzahl für die Zweidrittelmehrheit klar überschritten, sie lag bei 89.

 

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