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Mehrfach wollte Franziskus die Kriegsparteien zu Gesprächen bewegen. Warum mit dem neuen Papst vielleicht Bewegung in die Sache kommt.
Kommt mit Papst Leo XIV. Bewegung in die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland? Laut US-Präsident Donald Trump hat der erste US-amerikanische Pontifex den Vatikan als Ort und Gastgeber der Verhandlungsgespräche angeboten.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Tass, dass Russland sich dieses Angebots bewusst sei und der Vatikan eine entsprechende Erklärung abgegeben habe. Jedoch seien noch keine konkreten Vereinbarungen über den Ort für künftige Gespräche bestätigt worden.
Selenskyj: Wir sind verhandlungsbereit
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb auf X, dass die Ukraine zu direkten Verhandlungen mit Russland in jedem Format bereit sei, das zu Ergebnissen führe. „Die Türkei, der Vatikan, die Schweiz - wir prüfen alle möglichen Orte.“ Dem Papst dankte Selenskyj dafür, dass der Vatikan sich als Ort für mögliche direkte Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew angeboten habe.
Zum konkreten Angebot äußert sich der Vatikan bislang nicht. Doch betonte Leo XIV. schon wenige Tage nach seiner Wahl, der Vatikan stehe bereit, „damit sich die Feinde begegnen und einander in die Augen schauen können, damit den Völkern die Hoffnung zurückgegeben wird und ihnen die Würde wiedergegeben wird, die sie verdienen, die Würde des Friedens“.
An die verantwortlichen Politiker appellierte er: „Lasst uns zusammenkommen, lasst uns miteinander reden, lasst uns verhandeln!“ Nach seiner Amtseinführungsmesse am Sonntag erinnerte er an die „gemarterte Ukraine“. Das Land warte „endlich auf Verhandlungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden“.
Vatikan bietet sich als Ort an
Sein oberster Diplomat, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, präzisierte Ende letzter Woche das Vermittlungsangebot von Leo XIV.: „Konkret bedeutet dies meiner Meinung nach, dass der Heilige Stuhl für ein Treffen zwischen den beiden Parteien zur Verfügung steht, dass sich die beiden Parteien treffen und zumindest miteinander sprechen“, sagte er der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“.
Es handele sich also eher um die Bereitstellung eines Ortes. „Wir sind dazu bereit“, bekräftigte der Kardinal. Der Vatikan könnte ein sehr geeigneter Ort sein, der alle erforderlichen Diskretionen gewährleiste.
Die Chance, die Leo XIV. hat
Vielleicht gelingt Leo XIV. nun, was sein Vorgänger Franziskus seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vergeblich versucht hatte. Die Zeichen stehen nicht schlecht, denn Leo ist noch ein diplomatisch unbeschriebenes Blatt in Bezug auf problematische Äußerungen, die die eine oder andere Kriegspartei verärgert haben könnten.
Zudem war der Vatikan in den letzten Wochen Schauplatz der Weltpolitik: In beispielloser Zahl reisten die Herrscher zu Franziskus’ Beerdigung und Leos Amtseinführung nach Rom und führten zahlreiche Gespräche innerhalb wie außerhalb der Vatikanmauern.
Vatikan konnte bereits erfolgreich vermitteln
Mit seinem Namen knüpft der neue Papst an Leo XIII. an, der seine Amtszeit nicht nur der sozialen Frage gewidmet hatte. Er sei ein bedeutender politischer Denker gewesen, sagte Kirchenhistoriker Jörg Ernesti der Katholischen Nachrichten-Agentur. Er habe die moderne vatikanische Außenpolitik begründet. Ernesti betonte, Leo XIII. habe insgesamt elf Mal in internationalen Konflikten vermittelt und den Heiligen Stuhl als Friedensvermittler etabliert.
Einige Male hatte der Vatikan, der keine eigenen Machtinteressen verfolgt, als Vermittler für Frieden und Entspannung Erfolg - etwa zwischen Deutschland und Spanien im Streit um die Karolinen-Inseln 1885, im Beagle-Kanal-Konflikt zwischen Chile und Argentinien 1979 und zwischen Kuba und den USA im Jahr 2015. Im Südsudan brachte Papst Franziskus mit seinem Engagement die verfeindeten Parteien wenigstens wieder an den Verhandlungstisch. Doch im Krieg zwischen Russland und der Ukraine stieß der Heilige Stuhl als Friedensvermittler bislang ähnlich an seine Grenzen wie einst im Ersten Weltkrieg zwischen Frankreich und Deutschland.
Doch mit seinen humanitären Initiativen, wie etwa dem Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine, gewann der Heilige Stuhl bereits Vertrauen bei beiden Kriegsparteien. Darauf könnte Leo XIV. nun aufbauen und zu dem „Friedenspapst" werden, auf den alle nach seinen ersten Worten als Kirchenoberhaupt hoffen: „Liebe Brüder und Schwestern, der Friede sei mit euch allen!“