Unklare Aussagen auf Pressekonferenz im Flugzeug

Papst stiftet Verwirrung: Was hat der Pariser Erzbischof Aupetit getan?

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Aussagen des Papstes zum Fall des früheren Pariser Erzbischofs Michel Aupetit geben Rätsel auf. Und sie werfen die grundsätzliche Frage auf, wie Franziskus über Bischofs-Rücktritte entscheidet - unter anderem im Fall des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki.

Rätselraten im Fall des zurückgetretenen Pariser Erzbischofs Michel Aupetit: Aussagen von Papst Franziskus auf seiner „fliegenden Pressekonferenz“ auf dem Rückflug von Griechenland haben für Verwirrung statt für Klarheit gesorgt.

Medien hatten über Verwerfungen im Erzbistum Paris berichtet – und über eine fehlgeleitete E-Mail, die ein Verhältnis des damaligen Generalvikars Aupetit mit einer erwachsenen Frau belegen sollte. Aupetit dementierte das, fühlte sich aber zunehmend in die Enge getrieben. Seinen Amtsverzicht nahm der Papst innerhalb von kaum einer Woche an.

Papst: „Öffentliche Meinung“ verurteilte Aupetit

Mit welcher Begründung? Das wollten französische Journalisten im Papstflieger wissen. Franziskus fragte zweimal zurück: „Was hat Aupetit Schwerwiegendes gemacht, dass er den Rücktritt einreichen müsste? Wie lautet der Vorwurf, wer weiß das?“

Die Fragestellerin hakte nach: „Ein Problem der Regierungsführung?“ Bevor er antworten wolle, so Franziskus, wolle er wissen, wer den Erzbischof verurteilt habe. „Die öffentliche Meinung“, antwortete er selbst.

Die Schilderung des Papstes

Da die Medien Aupetit auf dem Gewissen hätten, sollten nun auch sie herausfinden, warum er entlassen wurde; dann könnten sie es ihm ja mitteilen. Außerdem sollten die Medien genauer recherchieren und nicht nur auf Grund von Gerüchten urteilen.

Die folgende Schilderung des Papstes ist allerdings vage, widersprüchlich und klingt nach Hörensagen. Der Erzbischof habe einen Fehler gemacht, indem er vor Jahren seine Sekretärin „leicht gestreichelt und massiert“ habe, so Franziskus. Es sei ein Verstoß gegen das sechste Gebot gewesen, aber kein schwerer und daher nicht allein ausschlaggebend.

Medien berichten den Vorfall anders

Diese Aussage des Papstes, berichtet die Zeitung „Le Figaro“, habe Frankreichs Episkopat „tief schockiert“. Zumal die mediale Darstellung des Vorfalls eine andere ist.

Medien hatten berichtet, Aupetit habe sich 2012 durch eine an seine Sekretärin fehlgeleitete E-Mail verraten. Die Frau, mit der es ein Verhältnis gegeben haben soll, sei eine andere gewesen – nicht Aupetits Sekretärin.

Stellt der Papst die Sache korrekt dar?

Weiß Franziskus also mehr – oder stellt er falsch dar? Und was meint der Papst mit „nicht allein ausschlaggebend“ für den Rücktritt?

Bezieht er sich auf die angeblichen Querelen im Erzbistum? Oder meint er, was er auch den Journalisten im Flieger sagte: Dass Aupetits Ruf nach den medialen Anwürfen und den „Gerüchten“ so beschädigt gewesen sei, dass er seine Diözese nicht mehr habe regieren können. Nicht wegen seiner Sünde – sondern wegen der öffentlichen Vernichtung seines Rufs.

Wie entscheidet der Papst über Bischofs-Rücktritte?

Ebenso unklar ist die grundsätzliche Frage: Wie entscheidet Franziskus über Amtsverzichte von Bischöfen?

Einige Blicke zurück: Im Januar 2018 verteidigt er – in einer spontanen Äußerung – den chilenischen Bischof Juan Barros gegen Vertuschungsvorwürfe; dieser werde „verleumdet“. Die Empörung war riesig; der Papst musste breite Ermittlungen einleiten. Am Ende boten die chilenischen Bischöfe fast geschlossen ihren Rücktritt an; mehrere davon nahm Franziskus an.

Die Fälle Aupetit und Woelki

Gegen den Lyoner Kardinal Philippe Barbarin gab es Vertuschungsvorwürfe und mehrere Prozesse. Franziskus gibt nicht nach, ebenso wenig im Fall des australischen Kurienkardinals George Pell; es gelte die Unschuldsvermutung. Am Ende zwei Freisprüche. Erst 2020 nimmt der Papst den erneuten Amtsverzicht Barbarins an.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, seit Monaten im Feuer öffentlicher Kritik wegen seines Umgangs mit Missbrauchsopfern, habe sich außer schlechter Kommunikation nichts zuschulden kommen lassen, sagt der Papst. Ob Woelkis Ruf – ähnlich wie bei Aupetit – nach den andauernden Vorwürfen so beschädigt sein könnte, dass er seine Diözese nicht mehr regieren kann? Sagt Franziskus nicht, Woelki bekommt eine Auszeit.

Genügt Rufmord für einen Rücktritt?

Und was ist mit künftigen Fällen? Muss ein Bischof nur heftig genug attackiert werden, damit seine umgehende Entlassung erfolgt? Das wäre eine Art Ermunterung zum Rufmord.

„Ich habe den Rücktritt von Aupetit angenommen nicht auf dem Altar der Wahrheit, sondern auf dem Altar der Heuchelei“, sagt Franziskus. Das ist ein zumindest ungewöhnlicher Altar für einen Papst.

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