Markus Wonka zu oldenburgischen Besonderheiten bei der Entwicklung pastoraler Strukturen

Pastorale Räume: Diaspora im Norden ist Chance und Herausforderung

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Im NRW-Teil des Bistums Münster ist diese Phase abgeschlossen, im Oldenburger Land läuft sie noch: In acht regionalen Auftaktveranstaltungen stellen die Verantwortlichen Gemeindevertretern noch bis Anfang Dezember ihre Vorschläge zu den geplanten neuen „Pastoralen Räume“ vor. Was unterscheidet eigentlich die Situation im niedersächsischen von der im NRW-Bistumsteil? Und wie haben die Gemeinden bisher auf die Pläne reagiert? Fragen an Markus Wonka, Leiter der Abteilung Seelsorge und Seelsorge-Personal im Offizialat in Vechta und Mitglied der Steuerungsgruppe.

Herr Wonka, wenn es um die Entwicklung der pastoralen Räume geht – was unterscheidet die Ausgangslage im Oldenburger Land von der im NRW-Teil?

Zunächst einmal verbindet uns vieles, etwa die beschleunigten Säkularisierungstendenzen oder eine schwindende Bindung an Kirche als Institution. Aber es gibt auch lokale Besonderheiten: Im Oldenburger Land haben wir auf engem Raum grob gesprochen zwei unterschiedliche Gebiete, die durch eine sehr verschiedene Form von Kirchlichkeit geprägt sind. In Nordoldenburg hat die Diasporasituation zu einer eher persönlich und familiär getragenen Kirchlichkeit geführt, bei der das eigene Glaubenszeugnis viel entscheidender ist. Und direkt daneben ein noch deutlich stärker volkskirchlich geprägtes Südoldenburg, wo die katholische Kirche als Institution trotz aller Säkularisierungstendenzen immer noch tief in der Gesellschaft verankert ist – stärker, als ich das im NRW-Teil des Bistums erlebt habe. Hier sind wir auch mit einem dichten Netz an kirchlichen Einrichtungen, Verbänden, Stiftungen stark vertreten.

Welche Folgen hat diese Situation für die pastoralen Räume, die entstehen sollen?

Die pastoralen Räume im Norden und Süden werden sich mit Blick auf die jeweiligen Besonderheiten wohl sehr unterschiedlich entwickeln und ausgestalten. Unsere Gemeinden in der Diaspora können einerseits auf ihren Erfahrungsschatz in Sachen Eigeninitiative und auf ihre persönlichen Netzwerke aufbauen. Andererseits werden die rückläufigen Katholikenzahlen hier viel stärker dazu führen, dass kirchliches Leben auf einer riesigen Fläche über große Entfernungen hinweg gestaltet werden muss, wenn – auch in kleinen Einheiten – möglich bleiben soll und lebendig gehalten werden will.

Der Wandel bedeutet auch für Seelsorger eine Herausforderung

Der Pastoralplan sieht in der Zielperspektive auch in der Diaspora maximal acht hauptamtliche Seelsorger pro pastoralen Raum vor, von denen vielleicht 3 bis 4 Priester sind?

Ja, das stellt uns vor große Fragen hinsichtlich unserer gewohnten Form von Kirchlichkeit. Diejenigen, die sich von hauptamtlichen Seelsorgern eine pastorale und liturgische Versorgung erwarten und die darin die Aufgabe der Kirche sehen, werden wohl deutlich stärker frustriert sein als diejenigen, die aufgrund ihrer Taufe, Firmung und ihrer je eigenen Charismen in diesen Übergangsprozessen Gestaltungsspielräume entdecken und annehmen. Aber auch für viele Seelsorger stellt dieser Wandel eine große Herausforderung dar. Denn die meisten haben ihren Dienst mit einer anderen Perspektive begonnen. Wie also Gemeinde lebendig gestaltet werden kann ohne fortwährende hauptamtliche Begleitung, werden wir vielfach noch entwickeln und entdecken müssen.

Aber auch die stark katholisch geprägten Regionen müssen neue Wege suchen?

Ja. Hier spielen organisatorische und strukturelle Fragen eine viel stärkere Rolle. In Südoldenburg gibt es eben dieses dichte Netz von kirchlichen Einrichtungen mit zahlreichen Stiftungen und Verbänden. Teilweise sind wir als katholische Kirche sogar der größte Arbeitgeber. Unsere über Jahrzehnte gewachsene Infrastruktur muss sich ja ebenfalls weiterentwickeln. Das stellt die Verantwortlichen vor große Herausforderungen. In vielen der Verwaltungs- und Verantwortungsgremien sind unsere Priester tätig. Das kann nicht auf immer weniger Schultern verteilt werden. Die Frage wird also sein, wie wir Verwaltung und Seelsorge auch unter sich verändernden Rahmenbedingungen in ein gutes Verhältnis bringen, damit Priester ihren seelsorgerlichen Aufgaben gerecht werden können.

Pastorale Chance bieten die Chance zu Kooperationen

Das bedeutet, dass neue Organisationsformen gefunden werden müssen, für die die pastoralen Räume eine Chance bieten könnten?

Ich denke schon. Viele unserer Verwaltungsvollzüge unterliegen einer zunehmenden rechtlichen Regulatorik, die einzelne Gemeinden und Seelsorger überfordern kann. Pastorale Räume bieten die Chance, über Formen von Kooperation und Professionalisierung in diesen Bereichen nachzudenken. In der Stadt Oldenburg beispielsweise gibt es bereits einen pfarreiübergreifenden Trägerverbund für Kitas. Die Chance und gleichermaßen auch die Herausforderung der pastoralen Räume liegt in den Möglichkeiten, die durch wechselseitige Abstimmung und Kooperation entstehen. Über diese Entwicklungen und solche Ideen wollen wir jetzt mit den Gemeinden ins Gespräch kommen. Wir gehen davon aus, dass auch in den Pfarreien viel kreatives Potential schlummert. Genau das sieht der Prozess vor, der jetzt mit den ersten regionalen Auftaktveranstaltungen begonnen hat.

Bei diesen Treffen stellen Sie bis Anfang Dezember Pfarreivertretern unter anderem die Vorschläge zum Zuschnitt der pastoralen Räume vor. Wie festgezurrt sind die vorgesehenen Grenzen eigentlich schon?

Zunächst einmal haben wir uns entlang der von der Bistumsleitung vorgegebenen Kriterien differenziert Gedanken gemacht zu den möglichen geografischen Zuschnitten der pastoralen Räume. Aber dennoch verstehen wir unsere Überlegungen als Vorschlag. Wir schließen nicht aus, dass uns im kommenden Jahr aus den Pfarreien gute Gründe vorgelegt werden für alternative Entwicklungen. Letztendlich geht es ja darum, dass der pastorale Raum ein sinnvolles Gefüge ergibt, in den hinein mehrere Pfarreien zusammenwachsen können. Das geht nicht über alle Grenzen hinweg. Das müssen wir auch gemeinsam erarbeiten und darüber werden wir sprechen müssen. Gleichwohl ist nicht verhandelbar, dass es bei maximal sechs pastoralen Räumen bleiben wird.

Im kommenden Jahr 41 weitere Termine in den Gemeinden

Sie sind bei allen Auftaktveranstaltungen im Offizialatsbezirk dabei – wie haben Sie die Stimmungslage bisher erlebt?

Wir hatten schon einige solcher Treffen. Auf der einen Seite erlebe ich immer wieder Dankbarkeit für die offene Bestandsaufnahme und die Intention, einen gemeinsamen Entwicklungsprozess zu gestalten. Gleichwohl gibt es vielfältige Nachfragen, Rückmeldungen, Unsicherheiten und auch Sorgen, welche Auswirkungen die anstehenden Veränderungen ganz konkret haben werden. Und immer wieder gibt es große Bereitschaft, sich den Herausforderungen zu stellen.

Was folgt als nächster Schritt in dem Prozess?

Die Auftaktveranstaltungen sind ja begrenzt auf vier Vertreter der einzelnen Pfarreien. Natürlich wird uns dieser Prozess auf unseren Sitzungen und Konferenzen im BMO weiterhin kontinuierlich beschäftigen. Von besonderer Bedeutung sind für uns die Gespräche in den Pfarreien im kommenden Jahr. Weihbischof Theising, Finanzdirektor Herr gr. Hackmann und ich werden alle Pfarreien besuchen, um mit den Gremien in Austausch zu kommen. Es sind in unseren Kalendern schon 41 Termine geblockt.

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