So klappt es mit den Pastoralen Räumen (1)

Es braucht neue Formen von Kirche - ein Pfarrer zu den Pastoralen Räumen

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Pastorale Räume vereinen mehrere Pfarreien. Wie geht das? Wie sieht sich ein Leitender Pfarrer? Norbert Caßens leitet die Pfarrei in Nottuln (Kreis Coesfeld), künftig Teil des Pastoralen Raums „Baumberge“. Wie das läuft und warum er nicht im neuen Leitungsteam mitmachen will, sagt er im Gespräch mit Kirche+Leben.

Herr Caßens, im Bistum Münster bereiten Koordinierungstreffen die neuen Pastoralen Räume vor. Wie sieht das in Ihrem Pastoralen Raum aus?

Wir haben im Pastoralen Raum Baumberge schon vor zwei Jahren mit ersten Gesprächen begonnen. Zunächst haben sich interessierte Ehrenamtliche aus den vier Pfarreien unregelmäßig getroffen, manchmal auch mit den Hauptamtlichen. Im Mai dieses Jahres waren dann alle Gremienmitglieder und Interessierte zu einem Treffen in Nottuln eingeladen. Etwa 80 Interessierte waren gekommen, um sich zu informieren und zu diskutieren. Die Stimmung war von Offenheit, Skepsis und Freude geprägt.

Wie bewerten Sie als leitender Pfarrer den Zusammenschluss mehrerer eigenständiger Pfarreien?

Ich bin da ambivalent unterwegs. Einerseits scheint es mir vernünftig, neue Formen von Kirche zu suchen. Die gesellschaftlichen und kirchlichen Verhältnisse ändern sich zu sehr, als dass es verantwortlich wäre, darauf nicht zu reagieren. Und wir tun gut daran, das in nachbarschaftlicher Kollegialität zu tun. Andererseits sehe ich die Gefahr, dass wir bei immer weniger Haupt- und Ehrenamtlichen immer größere Räume zu bedenken haben und dabei die Entfernung zu den Gemeindemitgliedern und ihrer Lebensrealität immer größer wird. Und die gefahrenen Dienstkilometer werden sehr viel mehr.

Welche Chancen sehen Sie in Pastoralen Räumen?

Kräfte zu bündeln und Innovation zu erleben durch neue Ideen und neue Teams.

Wo sehen Sie noch organisatorischen, strukturellen und personellen Handlungsbedarf für eine gelingende Umsetzung?

Mir ist noch nicht klar, wie der Begriff „Leitung“ inhaltlich gefüllt ist. Wer übernimmt da für wen und für was welche Verantwortung? Gibt es für das neue Leitungsteam Weisungsbefugnisse, persönliche wie juristische Letzt-Verantwortungen? Oder beschränkt sich Leitung auf Koordination? Schwierig finde ich die Aufgabe der jetzigen Koordinierungsteams, ein Leitungsteam zu kreieren, wo die oben genannten Fragen nicht geklärt sind. Zudem gibt es aus Münster Aussagen, dass der sogenannte Kooperationsraum sich nur auf die Hauptamtlichen beschränkt, andererseits das Koordinierungsteam aber schon Möglichkeiten entwickelt, auf pfarrlicher Ebene miteinander zu kooperieren.

Haupt- und Ehrenamtliche sollen gemeinsam die Leitungsverantwortung in den Pastoralen Räumen übernehmen. Wie bewerten Sie das?

Es ist einen Versuch wert. Wenn vorher geklärt ist, wer da was und wen leitet. Die Zuständigkeiten müssen im Leitungsteam gut geklärt sein und immer wieder neu evaluiert werden. Es muss auch geklärt sein, welche Kompetenzen und Kräfte es braucht, um in einem Leitungsteam effizient wirken zu können, und welchen Zeitraum die Leitung umfasst. Und ob es richtig ist, dass die Ehrenamtlichen dies alles unentgeltlich tun sollen, die Hauptamtlichen aber dafür entlohnt werden. Nun gibt es im Bistum schon Pilotprojekte, die mit diesem Leitungsmodell gute Erfahrungen machen. Das ermutigt mich.

Werden Ihnen mit dem Pastoralen Raum nicht Kompetenzen genommen?

Das wird in einigen Bereichen der Fall sein. Aber das schafft auch Luft, wieder freier zu sein für seelsorgliche Aufgaben. Ich denke zum Beispiel an Hausbesuche, Kontakte zu Kitas, Schulen und anderen Einrichtungen und gesellschaftlichen Kräften.

Was erhoffen Sie sich, wenn spätestens ab 2026 die Pastoralen Räume von Teams geleitet werden, die aus Priestern, Pastoralreferentinnen und -referenten sowie ehrenamtlich Engagierten bestehen?

Dass wir zukunftsfähig Kirche sein können. Und dafür neue Wege finden. Es ist ja eigentlich unser uralter „Job“: Schon seit Christi Himmelfahrt müssen wir als Kirche jedes Jahrzehnt wieder neue Wege der Verkündigung und des Dienstes 
am Menschen finden, weil Zeit etwas sehr Lebendiges und Wechselvolles ist. Der Heilige Geist möge uns gute Wege zeigen, wie wir den Namen Gottes in unserer Gesellschaft wachhalten. Und er möge uns dazu wache Herzen und pfiffige Ideen geben. Und uns als Gesamtkirche den Mut, Strukturen und den Zugang zu allen Ämtern mutig zu öffnen.

Der Pastorale Raum „Baumberge“ hat mit seinen vier Pfarreien vier leitende Pfarrer. Nach dem neuen Leitungsmodell soll im Pastoralen Raum nur ein leitender Pfarrer zum Leitungsteam gehören. Wird da nicht die Verantwortung von Pfarrern beschnitten?

Keiner von uns will derzeitig in das Leitungsteam gehen. Darüber stehen wir regelmäßig im Gespräch. Niemand von der Bistumsleitung hat bislang das direkte Gespräch darüber mit uns gesucht, warum das so ist. Kompetenzen und Verantwortungsbereiche sind nicht unser Thema, sondern die vielen Unklarheiten, die ich vorher beschrieben habe. Verlustängste habe ich bislang bei mir und bei den Mitbrüdern nicht wahrgenommen.

Pastoraler Raum „Baumberge“
Vor dem Hintergrund deutlich zurückgehender Zahlen bei Katholiken, beim Gottesdienstbesuch, beim Seelsorge-Personal und bei den finanziellen Mitteln läuft im Bistum Münster aktuell ein Prozess zur Entwicklung neuer pastoraler Strukturen. Diese Strukturen heißen Pastorale Räume und sind ein Zusammenschluss mehrerer eigenständiger Pfarreien. Der Pastorale Raum „Baumberge“ umfasst die vier Pfarreien St. Johann/St. Liudger in Billerbeck, St. Dionysius und St. Georg in Havixbeck und Hohenholte, St. Martin in Nottuln und Ss. Fabian und Sebastian in Rosendahl. Benannt ist der Pastorale Raum nach dem Höhenzug des Münsterlands.

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