Kunstwerk von Gerhard Richter wird am 17. Juni übergeben

Pendel schwingt in der Dominikanerkirche in Münster

Am 17. Juni wird in der profanierten Dominikanerkirche in Münster die Installation „Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel“ von Gerhard Richter der Öffentlichkeit übergeben. Die Stadtverwaltung lädt alle Bürger zum Festakt ein.

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Was lange währt und von einigen Turbulenzen begleitet war, kommt am 17. Juni zum Abschluss. In der Dominikanerkirche in Münster wird die Installation „Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel“ von Gerhard Richter der Öffentlichkeit übergeben. Um 11.30 Uhr wird das bereits von viel medialer Aufmerksamkeit begleitete Projekt in Anwesenheit des Künstlers Gerhard Richter seiner Bestimmung übergeben.

Zur Eröffnungsfeier hat die Stadt Münster als Eigentümerin des profanierten Gotteshauses alle interessierten Bürgerinnen und Bürger eingeladen. Bei dem Event auf dem Platz vor dem Westportal werden Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU), NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und der Kunsthistoriker Benjamin Buchloh von der Harvard-Universität sprechen. Im Anschluss wird das Kunstwerk, das sich auf einzigartige Weise am Foucaultschen Pendel orientiert, für das Publikum freigegeben.

 

Abschied der Hochschulgemeinde

 

Lange Zeit hatten die Verantwortlichen in der Stadt um verschiedene Nutzungen des frühbarocken Kirchenraums gerungen. Für einigen Schmerz hatte die Profanierung im November 2017 gesorgt. Die Kirche war jahrzehntelang von der Hochschulgemeinde der Westfälischen Wilhelms-Universität genutzt worden. Bedeutende Theologen haben den Ruf des Gotteshauses als außerordentlichen Predigtort weit über Münster hinaus geprägt: der Dogmatiker Peter Hünermann, der Neutestamentler Karl Kertelge und der Kirchenhistoriker Arnold Angenendt.

Der Kölner Künstler Gerhard Richter bei der Vorstellung des Projekts im vergangenen Jahr in der Dominikanerkirche. | Foto: Michael BönteDer Kölner Künstler Gerhard Richter bei der Vorstellung des Projekts im vergangenen Jahr in der Dominikanerkirche. | Foto: Michael Bönte

Nach der Profanierung ist die Hochschulgemeinde in die münstersche Ludgerikirche umgezogen. Sie wird von Klaus Müller geleitet, Professor für Philosophische Grundfragen der Theologie.

 

Kunstwerk als Geschenk

 

Auch die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften (ACK) zeigte sich damals von der Aufgabe als sakralen Ort enttäuscht. Sie hatte 43 Jahre in der Dominikanerkirche die ökumenischen Zehn-Minuten-Andachten ausgerichtet. Die ACK-Vorsitzende Annethres Schweder hatte zudem gehofft, in dem Gotteshaus ein interreligiöses Zentrum entstehen zu lassen.

Die Stadt Münster hat sich anders entschieden und stattdessen das Geschenk des berühmten Kölner Künstlers Gerhard Richter angenommen. Zudem will sie das Gebäude als Kulturraum für Konzerte, Vorträge, Lesungen, experimentelle Filmkunst und Empfänge nutzen.

Die Kosten für die Herstellung und Installation des Richter-Kunstwerks und für die Renovierungsarbeiten im Gebäude gibt sie vorsichtig mit voraussichtlich 650 000 Euro an. „Von Dritten sind der Stadt bereits Zuwendungen von 600 000 Euro in Aussicht gestellt worden“, heißt es in einer städtischen Pressemitteilung. Um feste Öffnungszeiten anbieten zu können, sei im Haushalt ein Budget vorgesehen.

Ein Foucaultsches Pendel für die Dominikanerkirche: hier ein Ausschnitt aus dem Entwurf des Künstlers. | Foto: Presseamt Münster/Maike Brautmeier Ein Foucaultsches Pendel für die Dominikanerkirche: hier ein Ausschnitt aus dem Entwurf des Künstlers. | Foto: Presseamt Stadt Münster, Maike Brautmeier

 

Kunst und Physik

 

Das Kunstwerk selbst besteht aus einem Pendel, das an einem 29 Meter langen Seil von der hohen Vierungskuppel vier Zentimeter über einer kreisrund gestalteten Bodenfläche aus Naturstein schwingt. 48 Kilogramm bringt allein die Kugel mit einem Durchmesser von 22 Zentimetern auf die Waage.

„Eine vom Fachbereich Physik der Universität Münster entwickelte Elektronik im Zentrum unter der Schwingungs-Ebene hält über Magnetismus das Pendel in Bewegung“, heißt es in der Information der Stadt. „Während es ununterbrochen schwingt, dreht sich die Ebene unter der Kugel aufgrund der Erdrotation langsam nach Osten. Pro Stunde beträgt die Drehung etwa zwölf Grad. Eine volle Umdrehung um 360 Grad dauert in Münster 30 Stunden.“ Die Drehungsdauer hängt vom Ort auf der Erde ab.

 

Glastafeln reflektieren

 

Physikalisch orientiert sich das Kunstwerk an einem großen Vorbild: 1851 entwickelte der Physiker Léon Foucault die nach ihm benannte Pendel-Konstruktion. Sie macht die Rotation der Erde um die Sonne sichtbar und widersprach der damals auch in Kirchenkreisen weit verbreiteten Ansicht, dass die Sonne sich um die Erde dreht.

Zur Kunst-Installation von Gerhard Richter gehören vier sechs Meter hohe Glastafeln, die paarweise vor den Wänden angebracht sind. Die Glasflächen reflektieren die Pendel-Bewegungen und den Kirchenraum, aber auch die Besucher. Sie werfen Reflexionen in den Raum und schaffen so ein nie endendes Wechselspiel von Formen.

 

Wer ist Gerhard Richter?

 

Die Dominikanerkirche in der Salzstraße wurde im November 2017 profaniert. Sie gehört der Stadt Münster. | Foto: Christof HaverkampDie Dominikanerkirche in der Salzstraße wurde im November 2017 profaniert. Sie gehört der Stadt Münster. | Foto: Christof Haverkamp

Der 1932 in Dresden geborene Richter gilt als äußerst vielseitiger und international renommierter Maler, Bildhauer und Fotograf. Im Kölner Dom hat er 2006 im Südquerhaus das bunte Richter-Fenster gestaltet. Es besteht aus mehr als 11 000 mundgeblasenen Glas-Quadraten in 72 Farben. Dem aus der evangelischen Kirche ausgetretenen Atheisten Richter wird ein Hang zur katholischen Kirche nachgesagt.

Nach dem Festakt am 17. Juni wird die Dominikanerkirche bis 20 Uhr offenstehen. Mit Publikum rechnen die Organisatoren auch in den folgenden Tagen. Am 18. Juni ist das Gebäude von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Ab dem 19. Juni von dienstags bis sonntags ebenfalls von 11 bis 18 Uhr.

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