Lexikon des Judentums (3)

Pessach – das Fest der Befreiung

Anzeige

Wissen ist das beste Mittel gegen Vorurteile und Antisemitismus! Zum Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erläutert diese Serie Begriffe jüdischen Glaubens – diesmal von Ludger Bornemann, Priester in Münster und langjähriger geistlicher Leiter des Pilgerhospizes Tabgha in Israel.

Mit dem Pessach-Fest, in diesem Jahr wird es vom 27. März bis 4. April gefeiert, erinnert man an den Auszug aus Ägypten. Dort hatten die Israeliten als Fremde und Sklaven der Ägypter gelebt. Im Buch Exodus wird erzählt, dass Gott ihre Klage erhört und die Israeliten durch das Schilfmeer hinausführt in die Freiheit. Vorher wird von den Plagen erzählt, die letzte sollte der Tod der erstgeborenen Söhne Ägyptens sein. Verschont blieben nur die israelitischen Familien, die sollten nach Gottes Weisung ihre Türpfosten mit dem Blut eines Lammes bestreichen. So ging der Todesengel an ihren Häusern vorüber. Daher der Name „Pessach“, er bedeutet so viel wie „Vorübergehen“ (englisch: “passover“).

 

Erst kommt der Hausputz

 

Weil die Zeit kurz vor der Befreiung knapp war, sollten die Israeliten nicht erst Sauerteig ansetzen. So wird Pessach auch das „Fest der ungesäuerten Brote“ genannt. Bis heute verzichten religiöse Juden in dieser Woche auf Gesäuertes, auf „Chametz“. Um sicherzugehen, dass nirgendwo Krümel von gesäuertem Brot liegen, wird vor den Feiertagen das gesamte Haus geputzt. Statt Brot werden nun eine Woche lang Mazzen gegessen: sehr trockenes, ungesäuertes Brot, fast ohne Geschmack.

Am Vorabend beginnt das Fest mit der Seder-Feier. „Seder“ bedeutet „Ordnung“, dieser Abend folgt einem genauen Ablauf. Die Familien versammeln sich zu einem besonderen Abendessen. Die Speisen auf dem Seder-Teller haben jeweils symbolische Bedeutung: Bitterkräuter stehen für die bittere Zeit der Sklaverei und gebratenes Fleisch mit Knochen erinnert an das Pessach-Opfer im Jerusalemer Tempel. Mus aus Früchten, einfaches Gemüse und ein hartgekochtes Ei kommen dazu. Sie erinnern jeweils an Knechtschaft und Befreiung. Als Symbol der Freude werden im Laufe des Abends vier Gläser des besonderen Pessach-Weins getrunken. Ein Platz mit einem gefüllten Glas bleibt frei für den Propheten Elija, der als Vorbote des Messias erwartet wird. Erst nach dem Verzehr der symbolischen Speisen beginnt das eigentliche Abendessen.

 

Die Nacht der Nächte

 

Der Abend beginnt mit vier Fragen, die das jüngste Kind stellt oder die die Kinder auch singen können. Aus den Antworten soll die Bedeutung des Festes hervorgehen. Die Eingangsfrage lautet: „Was unterscheidet diese Nacht von allen andern?“. Der Seder soll die nächste Generation neugierig machen, zu Fragen provozieren und dabei helfen, den Übergang von der Sklaverei zur Freiheit zu feiern und gleichzeitig zu erklären. So sollen sich Kinder als Freie erleben, denn Sklaven durften keine Fragen stellen. Im jüdischen Verständnis durchlebt jede Generation ihren eigenen Exodus. Gott will nicht knechten – an Pessach feiert das Judentum ihn als denjenigen, der aus Unterdrückung rettet und zur Freiheit beruft. Im Ritual dieses Festes kann jede jüdische Generation neu die Erfahrung der Befreiung machen.

Die heutige Form des Pessachfestes ist erst nach der Zerstörung des Tempels (70 n. Chr.) im rabbinischen Judentum entstanden. So hat Jesus wohl keinen Sederabend beim letzten Abendmahl gefeiert. Inhaltlich verbinden die Evangelisten aber das Passahmahl mit dem Abendmahl: Jesus wird für uns Christen das Lamm, das uns durch seinen Tod herausführt aus allem was uns knechtet und unfrei macht.

Der Autor
Ludger Bornemann
Ludger Bornemann ist Pfarrer bei der Brüdergemeinschaft der Canisianer in Münster und Geistlicher Leiter des Deutschen Vereins vom Heiligen Land. Von 1996 bis 2016 lebte in Tabgha am See Gennesaret. | Foto: Michael Bönte

Anzeige