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Martin Beisler ist 58 Jahre alt und seit 31 Jahren Priester. Aus seiner sexuellen Orientierung hat er nie ein Thema gemacht. Auch im Gespräch mit "Kirche-und-Leben.de" will er nicht über seine Homosexualität sprechen. Wohl aber darüber, warum er trotzdem bei „OutInChurch“ mitmacht, bei der sich 122 kirchliche Mitarbeitende outen – und was er von der Aktion erwartet.
Was bringt Sie dazu, sich bei „OutInChurch“ als homosexuell zu outen?
Ich möchte solidarisch sein mit vielen Frauen und Männern, die es aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in der katholischen Kirche schwer haben, so zu leben, wie sie sind. Und ich meine, es war an der Zeit, meine Solidarität noch stärker ausdrücken als etwa durchs Aufhängen einer Regenbogenfahne.
Wie schwer fiel Ihnen dieser Schritt?
Das fällt mir einerseits sehr schwer, was mit meiner Sozialisierung zu tun hat. Andererseits ist der Druck in den letzten zwei, drei Jahren so groß geworden, dass ich glaube, mich zu Wort melden zu müssen. Ich kenne eine ganze Reihe von queeren Menschen in der Kirche, die Angst um ihren Job haben – oder die sich aus ihrem ehrenamtlichen Engagement zurückziehen, weil sie sich von der Amtskirche diskriminiert fühlen. Wenn ich an diese vielen Menschen denke, fällt es mir wieder ganz leicht mitzumachen.
Seit wann wissen Sie, dass Sie homosexuell sind? Wie sind Sie damit umgegangen?
Das sind Fragen, die für mich nicht in die Öffentlichkeit gehören.
Was wird Ihr Erzbischof wohl dazu sagen, was Ihre Gemeinde?
Als ich nach dem römischen Segnungsverbot für homosexuelle Paare eine Regenbogenfahne vor dem Pfarrhaus aufgehängt habe, war vom Erzbischof dazu nichts zu hören. Aber es gab viele und positive Reaktionen aus der Gemeinde. Ähnlich sollte das auch jetzt sein.
Was sagen Sie katholischen Gläubigen, die meinen: Homosexualität ist eine Sünde, ein homosexueller Priester ein Gräuel?
Denen würde ich raten, sich über die Fortschritte der Humanwissenschaften und der Theologie zu informieren und nicht nur aus dem Zusammenhang gerissene Zitate des Alten Testaments zu nutzen. Und ich rate ihnen, in Kontakt mit homosexuellen Menschen zu treten, auch mit homosexuellen Priestern.
Auch wenn immer mehr Verantwortliche das anders sehen: Offiziell können Menschen mit „tiefsitzenden homosexuellen Neigungen“ keine Priester werden. Wie fühlt sich das für Sie an?
Das fühlt sich äußerst negativ an. Dahinter stehen überkommene Vorstellungen von kultischer Reinheit, mit denen das Priesteramt überhöht wird. Mir fehlt völlig der Blick auf seelsorgliche Qualitäten und Teamfähigkeit. Und über all dem: Das Entscheidende muss doch die Liebe zu Gott und zu den Menschen sein.
Nun könnte man sagen: Priester sollen zölibatär leben – was soll da die sexuelle Orientierung für eine Rolle spielen …
Zölibat ist ja mehr als der Verzicht auf Sexualität. Er bedeutet auch Verzicht auf Beziehung, auf Familie. Die sexuelle Orientierung spielt überhaupt keine Rolle. Zölibat heißt, als Single seinen Weg zu gehen. Das erlebe ich mit den Jahren zunehmend als belastend, nicht aber die sexuelle Orientierung.
Bischof Felix Genn hat in „Kirche+Leben“ gesagt, er wisse um das Leid, das die Kirche homosexuellen Menschen angetan hat. Sie sind als homosexueller Priester Vertreter dieser Organisation. Wie halten Sie diese Spannung aus?
Die halte ich manchmal nur sehr schwer aus. Ich habe in letzter Zeit in vielen Gesprächen von Frust und Wut gehört. Wir haben so viele Menschen vergrault – und sind da unserem Auftrag, die Frohe Botschaft und das Leben in Fülle zu verkündigen, sicherlich nicht gerecht geworden. Andererseits kann ich hier in der Gemeinde viele Möglichkeiten nutzen, um es anders zu machen.
Im vergangenen Jahr gab es die Aktion „#liebegewinnt“ für Segnungen auch homosexueller Paare, der Synodale Weg befasst sich mit dem Thema Homosexualität, auch einige Bischöfe sprechen sich für eine Neubewertung aus. Welche Chancen geben Sie Reformen?
Das ist eine ganz schwere Frage. Einerseits bin auch ich da frustriert und habe wenige Erwartungen. Andererseits weiß ich, dass wir ohne Reformen als Kirche wenig Chancen haben. Aber mich resigniert zurückzuziehen, ist nicht meine Haltung. Darum hoffe ich einfach sehr, dass sich etwas ändert.
ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“
"Das Erste" zeigt am 24. Januar um 20:30 Uhr die Dokumentation „Wie Gott uns schuf“. Sie ist bereits in der Mediathek abrufbar.