Leitender Geistlicher in Münster widerspricht Pfarrer Zurkuhlen bei Umgang mit Missbrauch

Pfarrer Rau nach Predigt-Eklat: Kein Recht auf Vergebung

Zur umstrittenen Predigt von Ulrich Zurkuhlen in Münster über Vergebung fordert der leitende Pfarrer vor allem Respekt vor Missbrauchs-Opfern. Erst dann könne man über ein sogenanntes irritiertes Umfeld nachdenken.

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Nach dem Eklat um eine Predigt des emeritierten Pfarrers Ulrich Zurkuhlen (79) über Missbrauch und Vergebung in Münster soll eine Diskussionsveranstaltung am heutigen Montagabend die Wogen glätten. Im Vorfeld sagte der leitende Pfarrer der Gemeinde, Stefan Rau, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), Vergebung sei eine der wichtigsten Kategorien des christlichen Glaubens. Allerdings habe sich die Kontroverse in der Gemeinde an der Frage entzündet, wer ein Recht auf und wer eine Pflicht zur Vergebung habe: „Ich bin an genau dieser Stelle anders als Pfarrer Zurkuhlen der Meinung, dass man von einem Opfer niemals Vergebung verlangen kann.“ Diese sei immer ein Geschenk. Kein Mensch habe ein Recht auf Vergebung oder könne sie von Gott verlangen.

Vergeben meine eben nicht vergessen, vertuschen und so tun, als sei nichts gewesen, sagte Rau weiter. „Als Mitglied dieser Kirche, die so oft und so lange Täter geschützt und Opfern misstraut hat, schulden wir jetzt an erster Stelle und unbedingt jedem einzelnen Missbrauchsopfer Respekt, Empathie, Solidarität und vor allem Gerechtigkeit.“ Erst dann könne man über ein sogenanntes irritiertes Umfeld nachdenken, etwa über diejenigen, die dem Täter vielleicht persönlich verbunden gewesen seien und ihn als positiv erlebt hätten.

 

Protest bei Predigt von Pfarrer Zurkuhlen

 

Pfarrer Ulrich Zurkuhlen hatte in seiner Predigt am vorletzten Wochenende dafür geworben, einander vergeben zu können, und die Äußerung ausdrücklich auch auf Priester bezogen, die Minderjährige sexuell missbraucht haben. Gottesdienstbesucher berichteten, der Pfarrer habe über einen befreundeten Priester berichtet, der als Täter beschuldigt wird. Es müsse an der Zeit sein, ihm zu vergeben. Daraufhin hatten etwa 70 Teilnehmer den Gottesdienst unter Protest verlassen.

Zurkuhlen selbst hatte seine Predigt gegenüber dem Münsteraner katholischen Internetportal „kirche-und-leben.de“ verteidigt. Niemand sei nur abgründig böse: „Oft verbinden sich Güte und Schuld miteinander oder stehen ohne Berührung nebeneinander.“ Auf seiner Homepage äußerte er am Montag, er habe in der Predigt gesagt, dass er „an der Zeit fände, dass unsere kirchlichen Hierarchen doch auch den Missbrauchs-Tätern irgendwann vergeben würden“.

 

Moderiertes Gespräch am Montag

 

An der Veranstaltung an diesem Montagabend in der Heilig-Geist-Kirche nimmt den Angaben zufolge Zurkuhlen nicht teil. Die Moderation übernehmen laut Raus Angaben Beate Meintrup, Präventionsbeauftragte des Bistums Münster, und der Supervisor Michael Sandkamp.

Rau hatte bei „kirche-und-leben.de“ den Predigtinhalt als „mehr als unbedacht“ bezeichnet. Münsters Bischof Felix Genn hatte Zurkuhlen aufgefordert, vorerst nicht mehr zu predigen.

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