VATIKAN

Papabile? Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin wird 70

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Er ist die Nummer zwei im Vatikan, seit zehn Jahren Chefdiplomat, jetzt wird er 70: Pietro Parolin. Sogar als nächster Papst wird er gehandelt.

Er bevorzugt leise Töne statt schrille Akkorde - eine Vorliebe, die offenbar Anklang findet: Seit mehr als elf Jahren ist Pietro Parolin oberster Unterhändler des Papstes. Dass der Norditaliener das erforderliche Fingerspitzengefühl, ein feines Gehör und Ausdauer hat, zeigen seine Erfolge etwa in Vietnam, Israel oder China. Am 17. Januar wird der Virtuose auf der Klaviatur kirchlicher wie internationaler Diplomatie 70 Jahre alt.

G-20 in Rio de Janeiro, UN-Klimagipfel in Baku, Krieg in der Ukraine oder Konflikte im Libanon: Immer wieder schickt Franziskus seinen Kardinalstaatssekretär an diplomatisch hochbrisante Orte. In der Ukraine, wo der Vatikan mit seinen Friedensbemühungen auf der Stelle zu treten scheint, sprach der Kardinal im Juni auch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Erprobt im diplomatischen Feuer

Die erneute Entsendung Parolins ins diplomatische Feuer zeigte einmal mehr, wie viel Franziskus seinem „verlängerten Arm“ zutraut. Im persönlichen Umgang wirkt Parolin eher moderat, offen und freundlich. Der gewieft-diskrete Kommunikator neigt weder zu Arroganz noch zu hohlen Phrasen. Manchmal zeigt der Norditaliener ein herzliches Lächeln oder lässt im Gespräch ein leise seufzendes „Mamma mia“ hören.

Der aus Schiavon in der Provinz Vicenza stammende Parolin wurde dort 1980 zum Priester geweiht. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie besuchte er ab 1984 die Päpstliche Diplomatenakademie. 1986 trat der Doktor des Kanonischen Rechts in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls.

Nigeria, Mexiko, Spanien, Andorra

Nach Stationen in Nigeria und Mexiko wurde er 1992 Nuntiaturrat in der Sektion des Staatssekretariates für die Beziehungen mit den Staaten. Hier war Parolin, der neben Italienisch auch Spanisch, Französisch und Englisch spricht, vor allem für Spanien, Andorra, Italien und San Marino zuständig.

Im November 2002 wurde er stellvertretender Außenminister des Vatikans. In dieser Funktion erreichte er bei den heiklen Gesprächen mit dem kommunistischen Vietnam eine Einigung zur gegenseitigen Anerkennung von Bischofsernennungen. Ebenso vollendete er die nicht minder diffizilen diplomatischen Verhandlungen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl.

Geheimabkommen mit China

2009 machte ihn Papst Benedikt XVI. zum Apostolischen Nuntius in Venezuela und weihte ihn im Petersdom zum Bischof. 2013 ernannte ihn Franziskus zum Kardinalstaatssekretär und berief ihn im Juli 2014 in die Kardinalskommission, die ihn bei der Kurienreform unterstützen sollte.

Eine weitere diplomatische Herkulesaufgabe gelang Parolin 2018 mit dem Geheimabkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Bischofsernennungen mit China: Dessen dritte Verlängerung - diesmal ohne zeitliche Begrenzung - erfolgte im Herbst.

Kandidat für das Papstamt?

Als Kardinalstaatssekretär ist Parolin auch zuständig für die sogenannten allgemeinen Angelegenheiten und damit eine Art Generalvikar des Papstes zur Leitung der Weltkirche; ein Grund mehr, warum er nicht nur bei den Audienzen des Papstes mit Regierungschefs und Präsidentinnen, sondern auch bei den Gesprächen mit den deutschen Bischöfen zum Synodalen Weg“ dabei ist.

Schon länger wird Parolin als „Papabile“ gehandelt. Der erfahrene Kirchenmann wäre noch jung genug, ist diplomatisch mit allen Wassern gewaschen, unter den Kardinälen bekannt und in vielen Themen zu Hause. Dass er nie Bischof einer Diözese war und kaum pastorale Erfahrung hat, sehen manche als Mangel. Andererseits hat Parolin wohl keine Leichen im Keller, was den Umgang mit Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch angeht. Zudem ging er aus dem Finanzskandal im Staatssekretariat und dem nachfolgenden vatikanischen Strafprozess ungeschoren hervor. Somit scheint der Weg frei für Gedankenspiele um Pietro Parolin auf dem Stuhl Petri.

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