Autor Francisco Contreras Gil regt Änderung der Regeln an

Pilgern auf dem Jakobsweg - Experte erwartet 2022 neuen Rekord

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Er hat tausende Marschkilometer hinter sich und ist mit seinem Rucksack gerade zur zwölften Tour aufgebrochen: Francisco Contreras Gil, 48, Journalist aus Madrid und Autor eines Buches zum "magischen Jakobsweg". Als Zeichen der Verbundenheit trägt er die Tätowierung einer Jakobsmuschel auf dem rechten Unterschenkel. Sein persönliches Pilgerrezept lautet: "Du sollst nichts erwarten. Alles wird übertroffen." Im Interview zieht er ein Zwischenfazit zum ausgehenden Pilgerjahr, richtet den Blick voraus auf 2022 und schlägt eine Neuerung vor.

Das allmählich zu Ende gehende Jahr ist ein Heiliges Jakobusjahr, für das man vor Ausbruch der Pandemie einen neuen Pilgerrekord erwartet hätte. Den wird es nicht geben. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

Zum Glück sind mittlerweile wieder viele Pilger unterwegs, aber die Krise hat auch zur Schließung vieler Privatherbergen geführt, die nicht mehr öffnen werden. Ich selbst bin von Mai bis Juli gepilgert, von den Pyrenäen bis Finisterre, 950 Kilometer in 55 Tagen. Ich habe viele Leute voller Hoffnung und regelrechtem Verlangen getroffen. Nachdem die Welt zusammengebrochen war - und mit ihr der Jakobsweg - gab es diesen einen Satz, den wir überall hörten. Egal, wo wir hinkamen, ob in Herbergen, Kneipen, Geschäften oder bei Dorfbewohnern: "Was für eine Freude, wieder Pilger zu sehen!" Dieses bisherige Jahr ist wunderbar.

Wie hat die Pandemie das Pilgerwesen verändert?

Francisco Contreras Gil
Francisco Contreras Gil erwartet einen neuen Pilgerrekord für 2022. | Foto: KNA

Die Pilger sind anders unterwegs als vor ein paar Jahren. Sie sind viel bewusster geworden, noch verantwortungsvoller, haben noch mehr Gemeinschaftssinn. In den Pilgerherbergen übertreffen die Maßnahmen gesundheitlicher Sicherheit die in Hotels und Gasthäusern um Längen. Die Ersten, die das wollten und umsetzten, sind die Herbergswirte selber. Nirgendwo hat man von einer vorübergehenden Schließung durch Corona gehört. Und wenn im Gemeinschaftszimmer einer Herberge nur zwei Pritschen belegt werden dürfen, werden halt nur zwei belegt. Jeder befolgt die Vorgaben, nutzt sein Desinfektionsgel. Neu ist, dass man in Herbergen am besten reservieren muss. Früher kam man einfach auf gut Glück im Quartier an.

Wie lautet Ihre Prognose für 2022, das dank der Verlängerung durch Papst Franziskus ebenfalls ein Heiliges Jahr ist?

Im nächsten Jahr wird der bisherige Rekord fallen ...

... der bislang bei 347.578 Ankömmlingen 2019 liegt, die ihre "Compostelana"-Urkunde erhielten.

Ja, im nächsten Jahr werden zusätzlich wieder Pilger aus Lateinamerika kommen, den USA, Südkorea, Japan, anderen Teilen Europas. Allerdings sollte das Erzbistum in Santiago de Compostela mal über die Änderungen der Bestimmungen nachdenken. Bislang muss man lediglich die letzten 100 Kilometer bis Santiago de Compostela zu Fuß pilgern, um die Urkunde zu bekommen, also im Durchschnitt fünf Tage. Das machen sehr viele. Fünf Tage auf der Hauptroute, dem Französischen Weg, ab dem Städtchen Sarria, und schon ist man Pilger. Es sollte ein Minimum von 200 Kilometern sein, dann entzerrt man die Massen auf diesem letzten Stück. Diese fast 350.000 Pilger sind nicht die Wirklichkeit auf dem Jakobsweg. Langzeitpilger machen weniger als die Hälfte aus.

Unabhängig von der Pandemie und persönlich gesprochen: Wie haben die Pilgerschaften Sie verändert?

Der Jakobsweg hat aus mir einen besseren Menschen gemacht: solidarischer, geduldiger, weniger egoistisch, toleranter im Umgang mit anderen und mit mir selber. Wir haben alle unsere Fehler, die wir nicht sehen. Der Jakobsweg zeigt dir diese Fehler auf und hilft dir dabei, deine dunklen Seiten in Licht zu verwandeln.

Welche Erfahrung ist die wichtigste bei Ihrem Unterwegssein gewesen?

Zu entdecken, wie wunderbar der Mensch ist. Der Jakobsweg holt das Beste aus dir heraus.

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