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Der Vize des Zentralrats der Juden wollte im Gottesdienst "Solidarität zeigen". Doch dann predigte ein evangelischer Bischof.
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, hat einen Gottesdienst zum Reformationsfest in Jerusalem verlassen, weil der palästinensische Bischof Sani Ibrahim Azar in der Predigt von "Völkermord" sprach. Diese "Einseitigkeit der Sichtweise" ohne Erwähnung des Überfalls der palästinensischen Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023 sei er "nicht bereit zu akzeptieren", sie sei "für mich nicht tragbar", sagt Lehrer dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Lehrer war mit einer Delegation des nordrhein-westfälischen Landtages nach Israel gereist und hatte am Freitag am internationalen Gottesdienst der evangelischen Gemeinden Jerusalems in englischer, arabischer und deutscher Sprache teilgenommen. Das sollte nach Lehrers Worten "ein Zeichen der Verbundenheit mit den christlichen Kirchen" setzen.
Deutsche Delegation solidarisch mit Lehrer
Er verließ den Gottesdienst in der Erlöserkirche während der Predigt von Azar, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land, "weil im gedruckten Text auf Englisch das Wort Genozid von ihm verwendet wurde, in der deutschen Übersetzung das Wort Völkermord zu lesen war". Aus Solidarität mit dem Zentralrats-Vize blieb die komplette NRW-Delegation dem Empfang nach dem Gottesdienst fern.
In einer Stellungnahme äußert sich die Delegation “entsetzt” über die Wortwahl des palästinensischen Bischofs und betont: "Von der Einseitigkeit des im Gottesdienst Gesagten distanzieren wir uns - gerade als deutsche Delegation - ausdrücklich." Auslöser des Kriegs in der Region sei der brutale Überfall der Hamas am 7. Oktober auf die israelische Bevölkerung gewesen.
"Täter-Opfer-Umkehr"
Landtagspräsident André Kuper (CDU) sagt dem epd zum Genozid-Vorwurf: "Für mich persönlich und für uns als Deutsche ist solch eine Wortwahl nicht akzeptabel." Er sei dankbar, dass Lehrer durch sein Verhalten darauf aufmerksam gemacht habe.
Die NRW-Antisemitismusbeauftragte Sylvia Löhrmann (Grüne) nennt es "entsetzlich und beschämend, dass die Perspektive der Jüdinnen und Juden mit dem 7. Oktober nicht in der Predigt auch angesprochen worden ist". Hier zeige sich "das antisemitische Muster der Täter-Opfer-Umkehr".
Stellvertretende Bitte um Entschuldigung
Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Adelheid Ruck-Schröder, spricht von einem "Skandal am Reformationstag". Sie wendet sich an Lehrer: "Ich möchte mich stellvertretend entschuldigen dafür, dass Sie in diese Situation gekommen sind." Die leitende Theologin der westfälischen Kirche sprach im fraglichen Gottesdienst ein Grußwort.
Bischof Azar hatte in der Predigt gesagt: "Heute erwarten die Menschen in Palästina von uns, dass wir uns gegen Ungerechtigkeit aussprechen, wo immer sie auftritt." Die Kirche reformiere sich ständig: "Aber wie sieht Reformation nach zwei Jahren Völkermord aus?" Wenn die internationale Gemeinschaft das Leiden der Palästinenser ignoriere oder palästinensische Christen aus ihrer Heimat vertrieben würden, sei das "ein Aufruf zur Reformation".
Die Hamas hatte am 7. Oktober 2023 mehrere Orte in Israel überfallen, etwa 1.200 Menschen getötet und Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion startete Israel eine Militäroffensive gegen die Hamas im Gazastreifen, Zehntausende Menschen wurden dabei getötet. Seit dem 10. Oktober gilt eine Waffenruhe.