Interview mit dem Moderator des Beratungsgremiums im Bistum Münster, Christoph Gerdemann

Priesterrats-Wahl mit einjähriger Verspätung – fehlt die Relevanz?

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Die Wahlen zum Priesterrat im Bistum Münster finden im laufenden September mit einjähriger Verspätung statt. Für den Moderator des Beratungsgremiums, Pfarrer Christoph Gerdemann aus Hamm, lag die Verzögerung auch am Gefühl fehlender Relevanz. Zu wenig Priester hatten sich für eine Kandidatur gemeldet.

Warum findet die Wahl zum Priesterrat mit einjähriger Verspätung statt?

Es wären im vergangenen Jahr 24 Kandidaten notwendig gewesen. Die gab es aber nicht. Nur fünf Priester hatten sich bereit erklärt. Der Bischof bat deshalb den bestehenden Rat, die Arbeit für ein Jahr zu verlängern.

Welche Gründe wurden genannt?

Ein Hauptgrund für die geringe Zahl an Kandidaturen ist für viele die fehlende Relevanz dieses Beratungsgremiums gewesen. Deshalb hat sich der Priesterrat gemeinsam mit Bischof Felix unter Hilfestellung einer qualifizierten Begleitung dieser Problemlage gestellt und sich mit der Situation auseinandergesetzt. Das Ergebnis: Es wurden vor allem die inhaltliche Ausrichtung und die künftige Arbeitsweise verändert und erneuert, etwa durch klare Aufgabenbeschreibung, häufigere und zeitlich begrenzte Zusammenkünfte, und nicht zuletzt durch eine Verkleinerung des Gremiums von 24 auf 12 Mitglieder. Zudem erfolgte eine Vergewisserung, dass der Priesterrat nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein Mitleitungsgremium im Bistum ist.

Ist das Problem damit behoben?

Wir erhoffen uns dadurch eine effizientere Arbeit und eine höhere Relevanz des Priesterrates. Natürlich braucht es als Kandidat Lust und Bereitschaft, meine Wahrnehmung der kirchlichen und bistumsspezifischen Situation in dieses Beratungsgremiums einzubringen. Ferner ein Interesse, die Entwicklungen von Kirche in unserem Bistum mitgestalten zu wollen. Auch ist es wichtig, die eigene Stimme hörbar werden zu lassen.  Wer sich wie ein U-Boot verhält, eignet sich nicht für den Priesterrat. Entscheidend ist genauso, dass der Bischof Beratung sucht. Die Relevanz eines solchen Gremiums hängt letztlich davon ab, ob und wie Beratung ernst genommen und gestaltet wird und vor allem ins Handeln kommt. Es muss konkrete Folgen haben. Damit können wir Priester für ein Engagement im Rat motivieren. Dass wir aktuell auf dem Wahlzettel 24 Kandidaten stehen haben, stimmt mich zuversichtlich.

Welche Themen bleiben relevant?

Das sind die Anliegen der Missbrauchsstudie, die Fragen nach neuen Leitungsformen in Pfarreien und der Umgang mit Macht. Genauso bleiben aktuell die Klärungen des priesterlichen Dienstes und seiner Rollen für die Zukunft, das Verständnis von Seelsorge, die Priesterausbildung, die Situation der älteren Priester, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Einige von diesen Themen und weitere haben wir erstmals gemeinsam mit dem Rat der Pastoralreferentinnen und -referenten und dem Diakonenrat beraten.

Wie nehmen Sie in der aktuellen Situation die Atmosphäre unter den Priestern wahr?

Da sind viele Stimmungen virulent. Schließlich gibt es eine Buntheit der Charaktere und Typen, der Dienstverständnisse und Priesterbilder, in denen Priester oft sehr individuell unterwegs sind. Ich glaube, vielen macht der Umgang mit der Aufarbeitung der systemischen Ursachen der Missbrauchsthematik sehr zu schaffen. Und das deshalb, weil viele Priester wahrnehmen und erleben, wie drängend und bedrängend die Notwendigkeit ist, dass diese Aufarbeitung in konkrete Konsequenzen münden muss, um der Gerechtigkeit willen der von Missbrauch Betroffenen. Dazu zählen zum Beispiel ein konkreter Abbau der bisherigen Konzentration von Macht bei Priestern, insbesondere bei leitenden Pfarrern und Bischöfen. Zudem geht es darum, eine Sprachfähigkeit zu erlangen, damit ein unverdruckster, offener und menschenwürdiger Umgang mit Sexualität möglich ist. Und das heißt auch eine Erneuerung der katholischen Sexualmoral.

Wie gelingt es Priestern, sich für diese Themen weiter starkzumachen und nicht zu resignieren?

Es kommt darauf an, dass ich eine lebendige Rückbindung zu meinen Quellen kultiviere. Wie kann ich als Mensch und als Berufener, als Priester einen lebendigen Kontakt zu ihnen im Alltag halten? Denn diese Rückbindung führt und hält mich auf dem Boden der Realität. Sie vertieft meinen Glauben, erneuert meine Haltung zum Leben und führt mich dadurch neu in die respektvolle Nähe zu den Menschen. Hier geht es ums Fundament. Und das brauchen Priester nicht nur als engagiertes Mitglied im Priesterrat.

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