Anzeige
Asylkreise, Kirchengemeinden und Verbände aus dem Kreis Recklinghausen haben gegen Sammelunterkünfte von Flüchtlingen demonstriert.
Eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden fordern mehrere evangelische Kirchengemeinden, die Katholische Arbeitnehmer-bewegung (KAB) und Asylkreise im Kreis Recklinghausen. Mehrere Vertreter protestierten vor der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Marl und machten mit einer Kundgebung auf die ihrer Ansicht nach menschenunwürdige Unterbringung dort aufmerksam.
„Die Menschen in den Sammelunterkünften sind gerade in der Corona-Krise einem hohen Risiko ausgesetzt, obwohl Kirchen und andere Organisationen immer wieder alternative Unterbringungs- und Integrationsmöglichkeiten angeboten haben“, sagt David Schütz vom Verein Forum für Demokratie, Respekt und Vielfalt in Haltern.
Einrichtungen verhindert Freundschaften
Schütz, Pfarreiratsmitglied in St. Sixtus und seit mehreren Jahren in der Flüchtlingshilfe engagiert, sieht die ZUE in Marl, in der 130 Flüchtlinge untergebracht sind, grundsätzlich skeptisch: „Warum müssen diese Menschen bis zu zwei Jahren abgeriegelt durch hohe Zäune, die Freundschaften und jeglicher Integration im Weg stehen, leben?“
Die Kinder in der ZUE hätten keinen Zugang zum Bildungssystem oder zu Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Eine selbstbestimmte Lebensführung, wie das Kochen und Essen landestypischer Speisen, sei nicht möglich. Ein Caterer versorge alle Bewohner aufwändig mit Fertigkost.
Offener Brief an die Landesregierung
In einem Offenen Brief an den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) haben der Asylkreis Haltern, die evangelische Gemeinde Haltern, das Forum für Demokratie, Respekt und Vielfalt, die Pfarrei St. Sixtus und die Bildungsstätte der KAB im Bistum Münster „Könzgen-Haus“ in Haltern auf die Zustände in den ZUE aufmerksam gemacht. Sie fordern eine Überprüfung der derzeit 33 zentralen Unterbringungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen und dezentrale Wohnungsmöglichkeiten für Flüchtlinge in den Kommunen.
Im Schreiben heißt es: „Mit der Corona-Krise ist nun eine weitere Eskalationsstufe erreicht: Lebensgefahr und wochenlange Kettenquarantären für hunderte Menschen. Studien belegen ein außerordentlich hohes Übertragungspotenzial in Sammelunterkünften und werden ignoriert.“ Offizielle Angebote, Geflüchtete aus dieser Lage zu befreien und im Gegenzug aufzunehmen - unter anderem durch das Könzgen-Haus in Haltern - würden „durch die Regierung mit einem Dreizeiler abgelehnt“.
Corona-Ansteckungs-Gefahr ist hoch
Vor dem Hintergrund der hohen Ansteckungszahlen in den ZUE mahnen die Verbände und Kirchengemeinden die Landesregierung, „das Pokerspiel mit der Gesundheit der Schutzsuchenden zu beenden“. Gefordert wird zudem eine Aufarbeitung der bisherigen Infektionsketten in den ZUE.
Das Interesse der Gesellschaft an der aktuellen Behandlung der Menschen sei groß, heißt es in dem Brief an den NRW-Ministerpräsidenten. „Wir wundern uns, warum so wenig Informationen nach draußen dringen beziehungsweise nach draußen dringen dürfen.“
Über die ZUE sagt David Schütz: „Sammelunterkünfte an den Rand oder gar aus dem Blick der Gesellschaft zu verbannen, ist nicht nur für die geflüchteten Menschen unwürdig. Es beschädigt auch unser Solidaritätsempfinden, beschädigt uns als Gesellschaft.“
Selbstbestimmung endet am Zaun der Zentralen Unterbringungseinrichtung
Ihm bedrücke, dass durch die Ankerzentren für Asylsuchende das „Mitgefühl für Menschen am Rand der Gesellschaft regelrecht weggedrückt und ausgegrenzt wird“. Die geflüchteten Menschen untergebracht in der Mitte der Gesellschaft, das sei „einer Gesellschaft wie der Unseren würdig“. Am Zaun der ZUE endeten die Selbstbestimmung der Flüchtlinge und die Integrationsmöglichkeiten der engagierten Zivilgesellschaft, meint der engagierte Katholik aus Haltern.