Caritas-Erziehungsberater Jochen Elte im Interview

Psychologe: So meistern Familien die Corona-Krise

Der Psychologe Jochen Elte arbeitet in der Erziehungsberatung beim Caritasverband für den Kreis Coesfeld. Er sagt, wie Familien die Herausforderungen der aktuellen Lage bewältigen können.

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Der Psychologe Jochen Elte arbeitet in der Erziehungsberatung beim Caritasverband für den Kreis Coesfeld. Er sagt, wie Familien die Herausforderungen der aktuellen Lage bewältigen können.

Herr Elte, der Alltag von Familien steht im Moment Kopf. Was hilft, um mit der Situation klarzukommen?

Einen kühlen Kopf bewahren und dem Tag eine klare Struktur geben, das vermittelt Ruhe und Routine. Arbeits-, Pausen- und Freizeiten ebenso wie gemeinsame Mahlzeiten sollten geplant werden. Kinder können bei vielem eingebunden werden, zum Beispiel beim Zubereiten des Essens. Darüber hinaus können Gemeinschaftsspiele, Telefonate mit den Großeltern oder Freunden, aber auch Heimkino oder kleine Projekte im Haus oder Garten helfen, im gefühlten „Meer“ der Zeit nicht ins Schwimmen zu geraten.

Drohen durch das enge Beisammensein und die besonderen Herausforderungen nicht Konflikte?

Die Situation ist für alle neu, Spannungen sind da normal. Es gilt, Milde walten zu lassen. Vielleicht muss sich ein Familienmitglied mal „Luft machen“. Gut so! Nach einer Runde um den Block sieht die Welt vielleicht schon anders aus. Danach ist es wichtig, keine weiteren Vorhaltungen zu machen. Genug ist genug. Hier denke ich vor allem an die Jugendlichen.

Trifft die aktuelle Situation sie besonders?

In gewisser Weise ja. Sie empfinden es als „Hausarrest“, wie eine Bestrafung. Dabei ist das Zuhause für Jugendliche eigentlich ein sicherer Hafen, aus dem heraus sie die Welt entdecken. Nun sitzen sie in diesem Hafen fest, und der platzt auch noch aus allen Nähten.

Wie können Eltern ihnen helfen?

Die manchmal zu Recht kritisch beäugten sozialen Medien können jetzt ein großer Segen sein. Jugendliche finden hier Entlastung, Gemeinschaft und Spaß. Daher sollten die Regeln zu Bildschirmzeiten etwas erweitert werden. Ganz grundsätzlich ist das jetzt nicht die Zeit für große erzieherische Maßnahmen. Erziehung ist immer Beziehung, und in Beziehungen gibt es Gegensätze und Auseinandersetzungen, das ist ganz normal.

Was ist bei kleinen Kindern zu beachten?

Aus der Bindungsforschung weiß man, wie sehr sich Anspannung und Aufregung der Eltern auf die Kinder übertragen. Kleine Kinder verstehen nicht, was los ist, aber sie spüren es. Sie reagieren darauf mit Stress und innerer Unruhe. Das kann sich durch Rückschritte in ihrer Entwicklung, zum Beispiel in der Sprache, zeigen.

Wie kann man ihnen ein gutes Gefühl geben?

Das gemeinsame Spielen ist eine gute Therapie zum Stress- und Angstabbau, dabei können auch kindgerechte Informationen zur Krise platziert werden. Grundsätzlich ist es das Wichtigste, dass Eltern Ruhe bewahren, Druck herausnehmen und die eigenen Batterien nicht vergessen.

Nicht einfach, wenn die Sorge um die wirtschaftliche Existenz dazukommt.

Das ist richtig schwer. In der Beratung arbeiten wir viel mit Eltern und Alleinerziehenden, die auch ohne äußere Krisen häufig am Limit sind. Es hilft, sich hier zu erinnern, was trotz großer Schwierigkeiten bereits zusammen gemeistert wurde. Das kann man auch mit den Kindern machen. Außerdem ist es heilsam, an die Zukunft zu denken und gemeinsam Pläne zu schmieden.

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