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Égide Muziazia, Pfarrer in Emmerich, hat rassistische Beleidigungen und Angriffe auf sich öffentlich gemacht. Dass erst die Erfahrungen eines Amtsträgers und lokalen Prominenten den Blick wieder auf ein alltägliches Problem lenken, ist beschämend, findet Jens Joest.
Deutschland hat ein Rassismus-Problem. Das gehört zu den meistverdrängten Tatsachen. Alle paar Monate schaffen es „Einzelfälle“ in die Medien, die kurz aufrütteln.
Um es klar zu sagen: Wenn Pfarrer Égide Muziazia in Emmerich wegen seiner Hautfarbe beleidigt und bespuckt wird, ist das in keiner Weise akzeptabel. Aber auch in keiner Weise ungewöhnlich. Nun hat auch ein Priester erfahren, was Menschen gerade dunkler Hautfarbe täglich erleben.
Betroffene sagen: Rassismus ist Alltag
Kirche+Leben hatte zum Beispiel bereits 2020 Menschen im Bistum Münster gefragt, wie sie Rassismus erleben. Eine Frau aus Hamm sagte, das N-Wort höre sie immer wieder. Oder Fragen wie: „Woher kommt du wirklich?“ Auch ihr Sohn müsse sich in der Schule dumme Sprüche anhören: „Ich sage ihm: Du musst stark sein.“
In ihren katholischen Pfarreien, so die Befragten damals, würden sie herzlich aufgenommen, und in den muttersprachlichen Gemeinden seien negative Erlebnisse außerhalb kaum Thema. Die Frau aus Hamm sagte: „Darüber reden wir fast nie, weil es so normal ist.“
Debatte ohne Differenzierung
Die Debatte um Flucht (zum Beispiel ausgelöst durch Kriege, Beispiel Ukraine), Asyl (was wegen politischer Verfolgung verpflichtend ist) und Migration (die von Ländern wie Deutschland ausdrücklich gewünscht sein kann, Stichwort Fachkräftemangel) ist sehr vielschichtig. Es wird aber nicht mehr unterschieden.
Alles wird in einen Topf geworfen. Wenn ein Syrer, der eigentlich nicht mehr in Deutschland hätte sein dürfen, ein Messerattentat verübt, sollen plötzlich keine Dublin-Flüchtlinge mehr ins Land gelassen werden.
Meinungen jenseits der Fakten
Dass die Tat von Solingen eine Straftat war und mit Flucht und Zuwanderung nichts zu tun hat – wen kümmert es? Grenzen dicht, abweisen, abschieben! Wo kommen wir denn da hin, wenn wir unsere vorgefertigten Meinungen von Fakten ins Wanken bringen lassen?
Bischof Felix Genn hat sich solidarisch mit Pfarrer Muziazia erklärt – mit unmissverständlichen Worten. Und doch ist es schade, dass es den Angriff auf einen lokalen Prominenten wie einen Priester braucht, damit es eine solche Erklärung gibt. Damit auch andere Medien das Thema aufgreifen.
Auftrag für die Politik
Genn schließt mit einer deutlichen Mahnung. Er appelliere an die Politikerinnen und Politiker aller Parteien, „Ängste nicht durch populistische, plakative, reißerische und undifferenzierte Aussagen oder Parolen zu schüren“.